„Zen-Worte im Tee-Raume“

Die Bildernische Tokonoma

Von Adi Meyerhofer

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Inhalt

Die Bildernische Tokonoma

床の間

Die im Hauptwerk besprochenen Sinnsprüche (Kōan) hängen auf Rollbildern (kakemono) während der Teezeremonie in den entsprechenden Nischen des Hauptraumes der teilweise sehr kleinen zu diesem Zweck erbauten, buddhistisch geprägten und oft in Tempelkomplexen zu findenden Teehäuser. Die Bildernische, Tokonoma (床の間, meist 床間), kurz Toko, hat jedoch immer auch im normalen japanischen Wohnhaus wohlhabender Haushalte eine Rolle gespielt. Im altjapanischen Haus, ursprünglich Bettstatt als Ehrenplatz freigehalten für eventuell besuchende Gottheiten oder den Tennō, ggf. auch den Hausvater. Da Besuche der „himmlischen Majestäten“ relativ selten vorkommen, im Laufe der Jahrhunderte immer kleiner werdend und als Bildnische, oft mit Suiseki („Betrachtungsstein“) und Blumenarragement – Ikebana – darin. Beim Tee verwendet man die austere Spielart Chabana (茶花) des Blumensteckens. Bambusvasen hängt man an die Tokobahira, keramische stehen unter dem Rollbild. Heutzutage sitzt bei Zeremonien der Senke der Ehrengast vorm Toko. Bei den Daimyō-Schulen ist der Teemeister näher dran. Eine kurze Darstellung diese architektonischen Elements erscheint angebracht:

Üblicherweise ist ein Toko im Empfangszimmer, das sich im vorderen Teil eines traditionellen Hauses befindet. Hier davor ist der Ehrenplatz für Besucher. In modernen städtischen Häusern, sofern sie freistehend überhaupt noch bezahlbar sind, fehlt einfach der Platz für (oft 8 oder 10 Tatami große) Empfangszimmer der Art shoin-zukuri (書院造).
Da die wenigsten Tokos die ganze Wandbreite einnehmen, schließt sich daran meist ein dekorativer Stauraum mit Regal (chigaidana 違棚 bzw. tana) oder, nützlicher, ein Schrank (oshiire) an. Es kann auch sein, daß Toko und der danebenliegende Raum durch ein Zierbrett (tokowaki), das nicht notwendigerweise die ganze Höhe hat, abgetrennt ist. Gehalten wird das tokowaki vom Tokobashira. Häufig sieht man darin auch ein Fensterchen mit Bambusgitter.

Tanabeispiele
Beispiele für Proportionen typischer „Tanas.“ Die Tiefe ist üblicherweise drei Shaku (), die Höhe bis zum Querbrett 5,8 Shaku (abhängig von Zimmergröße und Tokomaßen).

Chigaidana-Bretterbeispiele
Proportionen typischer „Chigaidana“-Bretter. Links Formen, rechts zwei Arten von Nuten („fude-kaeshi“). n = 0,25 P ist abhängig von der Pfostenstärke (P, s. u. Fachausdrücke).

Der Idealtypus des shoin beschrieb 1511 Nōami. (Aufgezeichnet in erweiterter Form von Sōami in 台観左右帳記 [Zuschreibung, tatsächlich wohl erst 1658-61] im zweiten Teil. Vom selbigen gibt es noch O-kazari sho (御飾書) ein Buch, das die Ausschmückung der Räume der Higashiyama-Villa (Grundstock des heutigen Ginkaku-ji) der Ashikaga beschreibt.) Sie enthält von rechts nach links die aufgehängte Glocke (kanshō, zum Rufen der Dienstboten mit rechts seitlich liegendem Schlägel (shumoku), Schriftrolle (jikumono), Pinselablage (hikka) und Papiermesser, Tusche (sumi), Schreibpinsel, Briefbeschwerer (bunchin), ein Wasserkännchen, Tuschstein (suzuri) mit Stellschirm (kembyō). Dahinter dann zwei längliche Papierbeschwerer (keisan zum Offenhalten der Schriftrolle), Siegelkästchen (inrō) sowie eine Blumenvase mit Gesteck.
Auf dem Chigaidana unter einem Wandschrank (tembukuro) befindet sich ein Weihrauchtablett mit einem Ständer für Stäbchen und Löffel sowie die Weihrauchdose (kōgō) und das Weihrauchgefäß (kiki-kōro). Rechts unten dann der Rauchwerkskasten (jimbako) und auf dem untersten Brett ein Arzneibehältnis (yakurō).
Die Verwendung des von Nōami beschriebenen shoin-daisu ist erstmalig für einen Empfang des Go-Hanazono-tennō beim sechsten Ashikahga-Shōgun Yoshinori erwähnt (umstritten): Unter ausschließlicher Verwendung chinesischer Gerätschaften finden wir die Teeschale mit Geschirrtuch (chakin) auf dem oberen Brett einen standardisierten Satz von Utensilien, nämlich das Feuerbecken mit Kessel, den Wasserkrug, einen Kellenständer (shakutate) mit Schöpfer (hishaku) und Feuerstäbchen. Unten dann Spülnapf (kensui) sowie die Ablage für den Deckel (futaoki).

Wohnhaus 1931
Ein Vorzeigeobjekt modernen japanischen Hausbaus aus dem Jahre 1931. Der Tradition wird nur durch das runde Fenster und dem Zaun Rechnung getragen. (Heute ist solche „Platzverschwendung“ in Städten selten.)
Eine Koexistenz von westlichen und japanischen Wohnformen läßt sich auch im Inneren der japanischen Wohnung beobachten. Schon in den 1930er Jahren – wenn nicht gar früher – bereitete der Drang nach „Modernisierung“ und Verwestlichung den Zeitgenossen offensichtlich Kopfzerbrechen: Von jenen selbstzufriedenen Tee-Menschen einmal abgesehen, die sich über die Segnungen der Zivilisation hinwegsetzen und ihre ‚Grashütte‘ lieber in ländlicher Abgeschiedenheit aufstellen, kommt keiner, der einen Hausstand von einer gewissen Größe hat und in der Stadt wohnt, um den Einbau der zum modernen Leben notwendigen Heizung, Beleuchtung und sanitären Einrichtung herum, mag er auch noch so sehr auf japanischen Stil bedacht sein. Diese Zeilen schrieb der Schriftsteller Tanizaki Jun’ichirô [谷崎潤一郎] 1933 in seinem „Lob des Schattens“ (In’ei raisan), ein Jahr nachdem er selbst beim Hausbau Erfahrungen mit den Widersprüchen von „japanischer Ästhetik“ und „modernen Errungenschaften“ gemacht hatte. In der Nachkriegszeit eskalierte das Dilemma: das Auftauchen des „Fernsehapparat[es] in der tokonoma-Nische“ markierte in den 1960er Jahren den Übergang zur Konsumgesellschaft, und heutzutage, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, findet sich in immer weniger neugebauten Wohnungen ein immer in „japanischem Stil“ (washitsu) mit Tatami-Bodenbelag und Tokonoma.
Conrad, Haral; Saaler Sven; Wohnen in Japan; S. 15.
Wohnhaus isometrisch Japanisches Wohnhaus, Grundriß. Tatami-Layout Tokonomabeispiele

Tokonomas in zu diesem Zweck errichteten Teehäusern

Ausführlicher beschrieben sind diese bei der Teezeremonie und Stil der Tee-Räume.

In Teeräumen (茶室) verwendet man für Otoshigake vor allem Nadelhölzer, seltener das von Natur aus insektenresistente Holz von Paulownia tomentosa. Im Shoin sind tokogamachi abgeschrägt und schwarz mit tameurushi (溜漆) lackiert. Auf der Rückseite bleibt die unbearbeitete Rinde. In kleineren Teehütten verwendet man für tokogamachi auch einfach übergebliebene Nadelholzbretter, die nur mit der Chouna (釿, syn. 手斧) grob bearbeitet werden. Für Itadoko-Bretter kommt als Holz vor allem Rotkiefer, Zelkovia (Ulme) oder Roßkastanien zum Einsatz. Statt mit Holz kann der Boden des Toko auch immer mit Tatami ausgelegt sein. Man nennt dieses folgerichtitig Tatamidoko (畳床).

Dreigliedrige Wandseite, ganz links Tatamiboden des Nebenraums erkennbar. Hölzer unversiegelt, hell. Linke Hälfte: oben mit Glastüren verschließbarer Ahnenaltar unen mit gemusterter Platte geschlossen. Anschließend Schranktür, darüber gerahmte Urkunde. Rechte Bildhälfte zurückgesetzte Tana-Toko Kombination, geteilt durch einen entrindeten Baumstamm, konisch nach oben zulaufend, an der Basis vergleichsweise dick. Im Tana unten Käüstchen mit neuen weißen Schiebetüren. Darauf Blumenbase, darüber einfaches Regalbrett mit Abzeichen auf Holz, wohl Preise. Darüber weiteres Brett, links in der Ecke eine silberne Figur, vermutlich die Göttin Mazu. Rechts gerahmte audratisch Kalligraphie. Im eigentlichen Toko, ebenso breit wie das Tana, buntes Hochkant-Kakemono mit Szene eines Fisches der vor mehreren Personen (Gottheiten?) betrachtet wird. Am erhöhten Boden kleiner Vasen, zwei Kerzen, links, vom Baum verdeckt, metallner Teller, gegenüber moderne Vase mit Gesteck langer lanzettförmiger Blätter. Vorschu Schwarz-weiß Bild von 1935, gallery derselbe Raum heute. Links papierbezogenen Schiebetüren (dahinter Veranda). Tatamiboden läuft aus zu einer Wand, an die sich im linken Drittel ein Toko anschließt in dem ein Hochkant-Kakemono mit Tusche-Landschaftsbild hängt. Die restlichen zwei Drittel bildet eine hölzerne Treppe mit vier Stufen. Links, hinter und im rechten Winkel zum Toko, zwei Fusuma-Schranktüren, daneben Wandkästchen (helle Türchen) zugänglich über einen mit kleinem Geländer eingefaßten Absatz  der auf die zweite und dritte Stufe gebaut ist. Linkes Biklddrittel: schwarz-weiß-Aufnahme des Tokos, mit Hochkantkakemono mit Kalligraphie, auf dem Itadoko links eine Vase, Ikebana mit einem Zweig und kleines rundes Gefäß in der Mitte. Rechter Bildteil mit Grundriss, die besprochenen Elemente farbich hevorgehoben. Decke mit vier Kassetten farblich abgesetzt mit quadratischen Lampen japansichen Stils. Rückwand mit vier Abschnitten. Ganz links, etwa ein Sechstel, obere Hälfte Regalbrett mit goldenem Faltbild, Ikebanavase usw. Darunter beige verkleidete Klimaanlage. Analoges Regal mit Tellern usw am rechten Wandende, Klimaanlage braun verkleidet. Jeweils abgeschlossen mit Tokobashira. Mittig zwei annähernd gleichgroße Tokos, mit Glas zum Schutz der Stücke darin. Linkes Toko: Metallnes Segelschiffmodell, ca. einen Meter hoch, am Boden; knapp 1,60 Moter hohe dunkle Steinplatte mit chineischem Text in Siegelschrift in Goldlettern. Daneben Samurairüstung. Hellbraune, gemaserte Holzplatte als Trenner (ca. 30 cm breit). Zweites Toko mit Hochkant-Kakemono: Kalligraphie und grün-gräulicher Einfassung. Rechts am Boden Schiffsmodell als Gegenstück. Der davorliegende große Raum ist mit Tatami ausgelegt. Mittig darin eine Reihe von zehn Stühlen, die zum Schutz der Tatami auf wattierten blauen Kissen, wie sie als Meditationsunterlage verwendet werden, stehen, teilweise noch rote Unterlage.

Tokonomas in den 1930ern

Für die Darstellung wird ansonsten auf Bohners Zeiten, d. h. den 1930ern, durch zeitgenössisches Material Bezug genommen. Dies war, wie erwähnt, eine Ära der Spannung zwischen „moderner“ und traditionelle Bauweise. Auch in anderen Lebensbereichen kam die Rückbesinnung auf „echt Japanisches“ (Stichwort yamato damashii) zum Ausdruck, politisch als kokutai. Propagandiert wurde solches z. B. von der „japanischen Kulturvereinigung“ Nippon Bunka Renmei (日本文化聯盟), deren harmloseren Aktivitäten die Förderung des Ikebana waren. Zu dieser Propaganda sind auch die Schriften der Nazis Wilhelm Gundert, Karlfried Dürckheim und Eugen Herrigel zu nenne. Sein Büchlein „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ über die Daishadõkyõ-Methode des Bogenschießens, wird noch heute im Westen für einen Klassiker japanischer Kultur gehalten. Vergleicht man die seit 1948 erschienenen Ausgaben mit dem 1936 in der Zeitschrift Nippon abgedruckten Urtext „Die Ritterliche Kunst des Bogenschießens“ fällt die Bereinigung um „Völkisches“ auf. Damit stand er natürlich nicht allein, ein anderes Beispiel wäre der „Tennōismus“-Prediger Prof. Fujisawa Chikao, er wandelte sich zum Shintō-Experten. Auf die daraus folgenden Ausflüsse des Nihonjinron („Einmaligkeit Japans“) bzw. des rechtsradikalen, in Japan nicht kriminalisierten Sumpfs kann hier nicht eingegangen werden.

Der 1933-36 als „Kulturbolschewist“ nach Japan emigriert Bruno Taut definierte: „Tokonoma ist der Name für die Schmuck und Bildernische im wichtigsten Raum des japanischen Hauses, dem Gästeraum.Die Standardgröße entspricht einer Fußbodenmatte, dem tatami, mit ca. 90 mal 180 cm. Seitlich wird die Nische durch Pfeiler begrenzt, der Boden des tokonoma ist um ein Schwellholz erhöht und bildet ein Podium mit Holzdielung. Oben wird die Nische durch einen Querbalken abgeschlossen, der etwas höher gesetzt ist als das um den Raum geführte Riegelholz, nageshi, in 173 cm Höhe, das die Führungsschienen für die Schiebewände enthält. Dadurch wird die Bedeutung der Nische hervorgehoben. Sie ist der besondere Ort im Raum oder der Raum im Raum, in dem Kunstwerke - Hängebilder, kakemono, Malerei oder Schriftbilder, Blumenarrangements Kleinplastiken und Räuchergefäße - ihren Platz finden und in dem sie ihre Wirkung voll entfalten können. Die Hängebilder werden je nach Jahreszeit oder Gelegenheit ausgewechselt.“

Tokonomas in Wohngebäuden

(Zum Vergrößern anklicken.)

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Kakemono

掛け軸

Otto Kümmel definierte Kakemono (Synonyme sind: Kakejiku 掛軸, Kakefuku 掛幅, Jikumono 軸物) („Hängeding“) im Japan-Handbuch 1940 wie folgt: Rolle auf die ein Bild oder kalligraphischer Spruch gemalt ist, mit seidener Rahmung, seltener Papierrahmung, oben mit einer Leiste, an der eine Schnur zum Aufhängen an der Wand befestigt ist, unten mit einer runden Holzstange, um die das Bild gerollt wird, im Gegensatz zum Gaku, dem festgerahmten Bild, und zum Makimono, einer langen, niedrigen Rolle, die waagerecht liegend betrachtet werden soll. Die Kakaemono werden je nach Jahreszeit oder bei besonderen Gelgenheiten ausgewechselt, und die nicht aufgehängten werden in Rollenform aufbewahrt..

Unterschieden wird zwischen hochformatigen Tatejiku und den Yokujiku im Querformat. Letztere sind bei der Teezeremonie unangebracht. Die Hänger oben nennt man Hyōmoku (表木) oder Hassō (発装).

Elemente von Kakemonos und deren Typen

(Zum Vergrößern und für Erläuterungen anklicken.)

Schematische Zeichnung eines Kakemono, mit japanischer Beschriftung der einzelnen Elemente. Schematische Zeichnungen dreier Arten Bilder im Hochformat aufgezogen auf ein Kakemono einzufassen. Schematische Zeichnungen von Kakemono-Sonderformen, die nicht im Hochformat aufgezogen sind. Links und Mitte Rauten, rechts oben Fächer, rechts unten Quadrat. Schematische Zeichnungen von zwölf unterschiedlichen Knäufen und ihre Benennungen auf Japanisch.

Bezogen auf den Erschaffer heißen Kalligraphien auf Tatejiku Bokuseki (墨蹟) wenn sie von Zen-Mönchen geschrieben wurden. Kohitsu (硬筆) sind Rollen die von Kaisern, Hofadligen oder Frauen der Heian-Zeit stammen. Gasan (画賛) sind Arbeiten von Teemeistern.

Malereien auf Tatejiku, die für das zugrundeligende Werk keine Bedeutung haben, aber gelegentlich bei weltlichen Teezeremonien, z. B. mit der Jahreszeit angemessenen Tierzeichnungen, durchaus zur Verwendung kommen, nennt man Kara-e (唐絵) wenn sie Szenen der chinesischen Natur zeigen, Suiboku (水墨) wenn sie nur in schwarz-weiß mit Holzkohle gezeichnet wurden. Nanga (南画) war eine unter den Gebildeten der ausgehenden Edo-Zeit übliche Stilrichtung. Es gibt hier etliche weitere Typen.

Besonders wertvoll sind Schriftrollen mit „originalen“ Briefen Sen Rikyū’s. Von diesen hat Komatsu Shigemi (小松茂美, 1925-2010) etwa 220 katalogisiert. Hatano Yukihiko ist dagegen der Ansicht, daß nur sieben echte Briefe überkommen sind. Der Rest seien Machwerke, Fälschungen oder utsushi (), die bereits früh zur Schaffung von „Authentizität“ hergestellt wurden. Moderne Analysemethoden könnten hier Klarheit schaffen, sind jedoch für viele im Privatbesitz befindliche „Briefe,“ die sich über die Jahrhunderte zu wichtigen Familienschätzen entwickelt haben, selten im Interesse des Eigentümers.

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