茶室掛物禪語通解

„Zen-Worte im Tee-Raume“

Biographien

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(von A. Meyerhofer)

Sämtliche in diesem Verzeichnis genannten Personen haben Bezug zu dem abgebildeten Kanji. Unbeantwortet bleibt die Frage der Drehrichtung …
Linksdrehendes Hakenkreuz in X-server Window aus einem japanischen Zeichenlexikon.
Hakenkreuz (manji) als japanisches Schriftzeichen.

Hermann Bohner (1884–1963, ヘルマン  ボーナー)

Der Lebensweg und die Karriere des Übersetzers Hermann Bohner ist im Rahmen seines Werksverzeichnisses, das er 1955 herausgegeben hat, detailliert dargestellt. Siehe: Hermann Bohner: „Arbeiten und Veröffentlichungen Ostasien betreffend.“

Als Bohners Übersetzung erschien gab es in deutscher Sprache so gut wie keine Literatur über Zen. Zu nennen sind Shuej Ohasamas Zen: der lebendige Buddhismus in Japan sowie zwei Werke von Suzuki Dasetz': Die große Befreiung (1939) und Zen und die Kultur Japans (1941, DVA). Anna Berliners (*1888, ✡, in Halberstadt als Anna Meyer, reich ⚭ 1910. 1913-15 Ärztin im psychiatrischen Krankenhaus der Unversität Tokio, wo ihr Mann Wirtschaft liest. 1915-21 in USA, auch als Dozentin an der Columbia Uni. Dann wieder bis 1925 in Japan, bis 1938 in Deutschland. Emigration in die USA, dort bis 1948-68 an der University in Forest Grove, Oregon. † 1977, ermordet von einem 13jährigen Knaben. Das Buch selbst fand wegen seines hohen Preises kaum Verbreitung. Die Normalausgbe kostete 50 RM, auf Büttenpapier 110 RM.) Teekult (1928/30) war die einzige Beschreibung der Teezeremonie in Buchform. Sie hatte drei Jahre bei der Omote Senke in Tokyo gelernt. Dazu allenfalls kürzere Beschreibungen wie die Lilly Abbeggs oder die Übersetzungen von Basil Hall Chamberlains Allerlei Japanisches (1912, Orig. Things Japanese) oder Okakura’s Buch vom Tee (Leipzig 1919 (1949 in neuer Übersetzung von Horst Hammitzsch beim nun in Wiesbaden ansässigen Insel-Verlag. Auch hier ist das Nachwort, ebenso wie die Überarbeitung 1979 mit Essay von Irmtraud Schaarschmidt-Richter fehlerhaft. Zum amerikanischen Hintergrund des Originals vgl. die Studie von Donald Sewell Lopez, 2005.)), das eine verzerrte Darstellung der Teezeremonie gibt, die den Bedürfnissen der gelangweilten, wohlhabenen Oberschicht bostoner und chicagoer „Damen der Gesellschaft” angepaßt ist. Davon inspiriert war der expressionistisch-dadaistische Roman von Melchior Vischer (1895-1975): Der Teemeister, erschienen 1922.


Bodhidharma (菩提達摩)

Bodhidharma (* um 440 oder 470; gest. um 528/32 oder 543; jap.: [Bodai]-Daruma) gilt als indischer Mönch und der erste Patriarch des Ch’an (jap.: Zen). Seine Historizität scheint zwar teilweise gesichert, jedoch liegen die historischen Einzelheiten seiner Legende im Dunklen, da einzelne Aspekte offensichtlich erst Jahrhunderte später entstanden.

Etwa 480 u.Z. verließ er sein südindisches Heimatland und fuhr mit dem Schiff nach China (Kanton), er wanderte zuerst nach Norden, dann Südchina und an den Kaiserhof, wo es zu dem Treffen mit Kaiser Wu-di (464–549) kam. Dies ist historisch betrachtet unmöglich, da einerseits die älteste Nachricht über den Meister ihn vor 479 hochbetagt in China landen ließ, als das Reich Liang (Liáng cháo, bestand 502–557 mit der Hauptstadt im heutigen Nanking. 梁朝, syn. 南梁, südliche Liang) noch nicht bestand, andrerseits soll er sich jahrelang im Nordreich Wei (386-535 北魏, syn.: 拓跋魏, 後魏, 元魏) aufgehalten haben. 516–18 ist sein Aufenthalt in Luòyáng möglich. Falls die Begegnung, wie in anderen Quellen berichtet, erst um 520 stattgefunden hätte, wäre Bodhidharma nach diesen etwa 120 Jahre alt gewesen – zu diesem Zeitpunkt war aber der ebenfalls erwähnte Bǎo Juǎn (蕭寶卷, 483–501) jahrelang tot.

Anschließend ließ Bodhidharma sich 523 u.Z. wieder im Norden in der Provinz Henan nieder. Hier befand sich auch das heute sagenumwobene Shaolin-Kloster, in dem er der Legende nach eine vom Yogacara abgeleitete Philosophie der Selbstbetrachtung lehrte, den Ch’an-Buddhismus.
Über Bodhidharma gibt es weiterhin die Sage, daß er die Teepflanze „erschaffen“ habe: Während er in einer Höhle meditierte, seien ihm die Augen schwer geworden. Um nicht einzuschlafen, habe er sich die Augenlider abgerissen und weggeworfen. An der Stelle, wo diese landeten, sei nun der erste Teestrauch gewachsen, was auch die Form der Blätter erklären würde.
Nach einer weiteren Legende saß er neun Jahre unbewegt meditierend vor einer Felswand. Huìkě, (W.-G.: Hui-k'o, 大祖慧可, trad. 487–593) der spätere 2. Patriarch, kam mit der Bitte um Unterweisung. Erst nachdem dieser sich seinen Arm abgeschnitten hätte, sei Bodhidharma von dessen Ernsthaftigkeit überzeugt gewesen.
Nach seinem Tode soll er, in den Schriften auch als „der Perser“ bezeichnet, mit nur einer Sandale an den Füssen auf dem Weg in seine Heimat gesehen worden. Sein Grab war bis auf die zweite Sandale leer. Ikonographisch wird er später immer mit buschigen Augenbrauen und einem (rötlichen) Vollbart dargestellt.

Historizität
Die obige hagiographische Darstellung der „Biographie,“ basierend auf dem Gāosēng Zhuàn, (高僧傳; entstanden ca. 530) hält einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. So wie die Legende innerhalb des Zen heute gegeben wird, hat sich über mehrere Jahrhunderte, wie folgend dargestellt, entwickelt. Die behaupteten „Fakten“ sind in Literatur erstmals auffindbar in den Jahren:

  • 547, Sagenhafte Ankunft in Luòyáng (W-G.: Lo-yang) in der Zeit zwischen 516-26; aus „Persien“ im Alter von 150 Jahren.
  • 645, Beschreibung als buddhistischer südindischer Mönch brahmanischer Herkunft. Der Arm des zweiten Patriarchen Huìkě (W.-G.: Hui-ko) sei von Banditen abgeschlagen werden.
  • 667, Soll das Lankavatara-Sutra an Huìkě weitergegeben haben.
  • 689, Patriarchenreihe: 2. Huìkě (487-593), 3. Sēngcàn (W.-G.: Sëng-tsan, † 606, jp.: Sōsan), 4. Dàoxìn (W.-G.: Tao-hsin, L.-O.: Dau-hsin 580-651, jp. Dō-shin) und 5. Hóngrěn (W-G.: Hung-jen, L.-O.: Hung-jën, 弘忍, 602-75 oder 601-74)
  • ca. 710, Assoziiert mit dem Shaolin-Tempel und der Kampfkunst. Huike schnitt seinen Arm selbst ab.
  • ca. 715, Beschrieben als dritter Sohn eines südindischen Brahmanenkönigs. Identifiziert als zweiter Patriarch nach Guṇabhadra.
  • 730, Geschichte des Treffens mit Kaiser Wu von Liang. Soll die Lehre an Huìkě übertragen haben, nachdem dieser seinen Arm abschnitt.
  • 758, oder kurz danach: Erstmals als „erster Patriarch“ bezeichnet. Weitergabe des Diamant-Sutras an Huìkě.
  • 801, Rezitation des Weitergabe-Verses am Sterbelager.
  • 952, Dialog mit Huìkě über die „Beruhigung des Geistes.“
  • 988, Soll mit Blick auf die Wand meditierend gesessen sein.
  • ca. 1200, Reliquen aus dem verbrannten Körper werden von der Daruma-shū in Japan verehrt.
  • 1224, Neun Jahre mit Blick auf die Wand meditierend.

Chü-ti (倶胝)

Jùzhī, jap. Kuji war im 9. Jahrhundert ein Schüler des Tianlong Shuyi (天龍豎一) und der fünfte in der Reihe der Dharmanachfolger Mazu Daoyi’s (馬租道一). Seinen Namen hat er von dem gerne von ihm wiederholten Saptakoṭī-buddhamātṛ-Dhāraṇī (七倶胝佛母心陀羅尼). Bekannt ist vor allem der Kōan des „einen Fingerzeigs,“ (daher die Methode „ein Finger Zen:“ 一指禪 bzw. 一指頭禪) der hier, jeweils als Tooltip, in verschiedenen Übersetzungen gegeben wird:

1) Text: Japanisch/Englisch.

2) von Heinrich Dumoulin: Die Geschichte des „Dieners/Knaben“ und des Verlöschens des Meisters:

Chü-chih, aus­ge­zeich­net durch seinen Ei­fer in der Re­zi­ta­tion des Sapta­ko­ti-buddha-mātr-dhā­ra­ni und nach dem Titel dieser sa­kra­len Formel (die chi­ne­si­schen Schrift­zei­chen für ko­ti werden chü-chih ge­le­sen) be­nannt, ist ei­ner jener ein­fa­chen Zen-Mei­ster, die frei von al­ler in­tel­lek­tu­el­len Am­bi­tion ihr ganzes Le­ben lang das am eigenen Leib erprobte Erleuchtungsmittel bei der Führung ihrer Jünger ge­brauch­ten. Chü-chih über­nahm die Me­tho­de von seinem Mei­ster T‚ien-lung [Tiän-lung; jp.: Kōshū Tenryū], der auf die Fra­ge nach dem We­sen der Wirklichkeit im­mer nur den Finger hob. Diese Zen-Schule wurde als Ein-Finger-Zen bekannt. Das Beispiel bringt an­schau­lich zum Ver­ständ­nis, daß kei­ne bloß me­cha­nisch an­ge­wandte äußere Me­tho­de mit Si­cher­heit die Er­leuch­tungs­erfahrung her­vor­brin­gen kann. Bloßes Nach­ma­chen, ohne in­ne­re Wirk­lich­keit, ist nutz­los. Dem Kna­ben, der vol­ler Ver­eh­rung für den Mei­ster die­sen nach­ahmt, wird dies zum greif­bar schmerz­lich­en Er­leb­nis, als Chü-chih ihm kur­zer­hand den Fin­ger, den er wie sein Meister auf­hob, ab­schnei­det. Als er sich an­schickt, wie­der wie der Mei­ster den Fin­ger auf­zu­he­ben, wird ihm das Nicht­da­sein des Fin­gers zum An­stoß für die nicht zu teu­er er­kauf­te Er­leuch­tung.
Aus der stren­gen Schule des Chü-chih sind we­nige, aber aus­ge­zeich­ne­te Zen-Mei­ster her­vor­ge­ga­ngen.

Dazu das Gedicht von Dan-Hsja Tjän-ran: (739-824; 丹霞天然 jp.: Tanka Tennen智通禪師 pinyin: Zhìtōng Chánshī)
Lehre, die keine Lehre
Wort, ungehört als Wort
Hast du den Mond gefunden
dann tu den Finger fort,
Der Heimgekehrte fragt nicht nach seinen Heimatort.

3) Wilhelm Gundert übertrug denselben Text.

Der Kōan:

Es steigt ein Stäub­chen in die Hö­he: die ganze Er­de ist da­rin befaßt. Es geht ein Blüm­chen auf, und eine Welt ent­steht.
Die Fra­ge ist nur nach so etwas wie dem Zeit­punkt, an dem das Blüm­chen noch nicht aufgestiegen, das Blüm­chen noch nicht aufgegangen ist: wie be­kommt man diesen in den Blick?
Darum heißt es: Wie man einen Strang matt­dunkelgrüner Sei­de zer­schnei­det: ein Schnitt, der ganze Strang ist ab. Wie man einen Strang von Seidenfäden in das Färbebad matt­dunkelgrüner Mis­canthus­gräser taucht: einmal ein­ge­taucht, ist schon der gan­ze Strang gefärbt.
Nur daß es jetzt gilt, das Ge­wirr von Schling­ran­ken zu durch­hauen, den im ei­ge­nen Haus ver­bor­genen Schatz heraus­zu­ho­len, damit er aller­orts dem Ho­hen wie dem Nie­dri­gen ent­spreche, nach vor­ne wie nach hinten nichts verfehle, und so in jedem Fall an jedem Menschen sich of­fen­bar bekunde.
Falls es bei dir etwa noch nicht soweit ge­kommen ist, so sieh dir, was nun folgt, so an, daß du es fas­sen kannst!

Das Beispiel

Wir legen vor:
Der Ehr­würdi­ge Djü-dschi hat­te die Ge­wohn­heit, auf jede Fra­ge, die ihm je­mand stellte, nur den Fin­ger auf­zu­he­ben.

Zwischenbemerkungen zum Beispiel
„Der ehrwürdige Djü-dschi, so oft ihn jemand etwas fragte“ – Was wird, der [auf eine Frage] zu erzählen haben! – Solch schwachsinniger Stümper!
„ … hob nur den Finger auf.“ – Dieser alte Chinese! Tut gerade so, als wolle auch er den Menschen in der weiten Welt die Zunge abschneiden. – reißt sie ihnen wahrhaftig aus!

Djü-dschi hatte in seiner Klause einen Knaben, der ihm diente. Diesen fragte draußen einer aus, wie denn sein Meister andere zu unterweisen pflege. Zur Antwort hob der Knabe seinen Finger aufrecht in die Höhe. Beim Meister zurück, erzählte und beschrieb er ihm die Szene. Da nahm Djü-dsch'i sein Messer und schnitt ihm diesen Finger ab. Der Knabe schrie laut auf und lief hinaus. Djü-dschi rief ihm einen Ruf nach, und der Knabe drehte den Kopf nach ihm um. Djü-dschi aber hielt den Finger aufrecht in die Höhe. Da wurde es in dem Knaben weit und offen und er sah alles ein. – Sagt mir einmal: Was für vernünftige Zusammenhänge hat er denn gesehen?
Als Djü-dschi im Begriff stand, in die Verwandlung einzugehen, sagte er zu seiner Bruderschaft: Ich habe von Tiän-lung das Zen des einen Fingers überkommen, habe es tagtäglich ausgeübt und nicht erschöpft. Möchtet ihr es gern verstehen? Damit hob er den Finger aufrecht in die Höhe und verschied. [BYL I, 345]

4) Mumon’s Kommentar auf Englisch bei Reps.

Enlightenment, which Gutei and the boy attained, has nothing to do with a finger, Tenryu will be so disappointed that he will annihilate Gutei, the boy and the clinger all together.
Gutei cheapens the teachings of Tenryū
Emancipating the boy with a knife.
Compared to the Chinese god who pushed aside a mountain with one hand
Old Gutei is a poor imitator.


Dōgen Kigen (道元希玄)

Den Buddha-Weg studieren heißt sich selbst studieren, sich selbst studieren heißt sich selbst vergessen, sich selbst vergessen heißt von allen Dharmas erleuchtet werden.

Im Gegensatz zum Rinzai-Zen, der mehrere Lehrer als Gründerväter hat, wird die Entstehung des japanischen Sōtō-Zen von einer Person, Dōgen, dominiert, nachdem die zweite Generation seiner Nachfolger sich einigten und eine, im Gegensatz zur städtisch-elitären Praxis des Rinzai, volksnahe Verbreitung des Buddhismus besorgten. Ihre Wurzeln liegen in der chinesischen Caódòng-Spielart (曹洞宗 Pinyin: Cáodòng zōng; W.-G.: Ts'ao-tung-tsung) des Ch'an.

„Begründer des Sōtō-Zen: Dōgen [Dōgen Zenji] begann seine Laufbahn als Schüler von Eisai, dem Rinzai-Meister des späten 12. Jahrhunderts. Wie viele andere mittelalterliche Denker begann Dōgen (1200–28.8.1253) seine Laufbahn in einem Tendai-Kloster in der Nähe von Kioto, wechselte aber im Alter von 14 Jahren in den Zen-Tempel von Eisai. Bald danach starb Eisai, und der junge Mönch reiste 1223 nach China, um seine Zen-Studien dort bis 1227 fortzusetzen.
Gegen Ende seines Aufenthaltes in China trat Dōgen in das Zen-Kloster (景德寺, syn. 山號, vollständig 太白山天童景德禪寺 am Tiāntóng Shān, 天童山) des Meisters Ju-ching (1163–1228; Tiāntóng Rújìng, 天童如浄, jap.: Tendō Nyojō; auch bekannt als 淨長 oder 長翁) ein, unter dessen Aufsicht er sich in die meditative Übung des Shikan-taza (bloßes Sitzen; 柧管打坐) vertiefte. Eines Morgens hörte er, wie der Abt einen Mönch schalt, der während seiner Meditation eingedöst war. Zazen (Meditation) ist das Wegfallen von Körper und Geist! Was erreichst du, wenn du einfach vor dich hindöst? In diesem Augenblick erwachte Dōgen selbst.
Ich habe das Wegfallen von Körper und Geist erfahren, berichtete er. Ju-ching bestätigte Dōgens Erleuchtung, erlaubte ihm, nach Japan zurückzukehren, wobei er ihm folgenden Rat mit auf den Weg gab: Meide die Städte, die Könige und Minister. Laß dich auf hohen Bergen und in fernen Tälern nieder. Wieder zurück in Japan, beobachtete Dōgen mit Enttäuschung, daß die Mönche des Rinzai-Zen von „eigenem Mobiliar, feinen Kleidern und gehorteten Schätzen umgeben“ lebten. Er kehrte dem etablierten Zen den Rücken und erbaute eine Meditationshalle im Kōshō-ji, (興聖寺, eigentlich Kōshōhōrin-ji, stand im heutigen Fukakusa, Fushimi-ku Kyotos. Der Tempel brannte ab nachdem ihn Sōtō-Mönche schon bald nach Dōgens Tod verlassen hatten. Der heutige Tempel dieses Namens in Uji wurde 1648 von Nagai Naomasa gestiftet. Er steht an anderer Stelle.) wo er Mönche ausbildete und seine Regeln der neuen Meditationshalle schrieb. Er formulierte das Dharma neu. Getreu den Traditionen des Mhayāna und des Hinayāna, die in 1500 Jahren angehäuften buddhistischen Theorien hingegen ignorierend. Sein Stil ist human, streng und aus heutiger Sicht erstaunlich zeitgemäß. Dōgens Schriften schweifen nie vom Orthodoxen ab. Als ihm der Kaiser die Robe des Patriarchen anbot, schrieb er: Ein alter Mönch, der das Purpur des Kashaja [Kassapo] anlegt, würde von Affen und Kranichen ausgelacht werden.

» Literatur zum Sōtō-Zen

Geschichte des Sōtō-Zen: Bereits am 14. Juli 1253 hatte der kranke Dōgen als seinen ersten Nachfolgers Ejo eingesetzt, der Tettsu Gikai als Klosterverwalter des Eihei-ji (gegr. 1243, 永平寺) an seine Seite berief. Zwischen beiden brach ein Dogmenstreit aus, der die Linie fast zum Aussterben brachte. Es ist ungeklärt, ob Gikai oder Gi’en – der auch esoterischen Praktiken nicht abgeneigt war – als 3. Abt nach Dōgen anzusehen ist. Die Sōtō-Schule spaltete sich weiter in fünf Einzellinien. Die bedeutendste Organisation ist die von Keizan Jōkin (瑩山紹瑾, 1268–1325) geprägte Linie. Der zweite Haupttempel der Sekte, der Sōji-ji, (Ein schon 740 gegründeter Tempel im damaligen Noto-no kuni, in der heutigen Präfektur Ishikawa. Dort 1898 durch Erdbeben zerstört, baute man den neuen gleichnamigen 1911 in der Nähe von Yokohama.) wurde 1321 von ihm übernommen. In dieser Tradition steht im 14. Jahrhundert Gasan, der die „Formel von den Fünf Stufen“ wieder einführte. Der bereits im 13. Jahrhundert abgebrannte und nur teilweise wieder aufgebaute Eihiji wurde im Krieg 1473 vollkommen zerstört. Um 1500 begann die Rekonstruktion, seit 1507 fungiert er als oberster Sōtō-Tempel. Sōtō-Zen verbreitete sich hauptsächlich im einfachen Volke. Die Tatsache, daß zu Beginn der Tokugawa-Ära buddhistische Tempel auf dem flachen Land zugleich Dienststellen der Regierung waren, half der Sōtō-Schule insofern, als daß so ihre zahlreichen Tempel dauerhaft in ihrer Existenz gesichert wurden, da für die Landbevölkerung, also 80-85% der Japaner, zu dieser Zeit ein Wechsel der Glaubensrichtung ebenso schwierig war wie ein Umzug (d. h. praktisch verboten). In der Folgezeit, im 17. und 18. Jahrhundert, wurde großer Wert auf die Bildung der Mönche gelegt, die in den Landtempeln ihren Dienst tun sollten. Der Sōji-ji, also Gasan’s Traditionslinie, erreichte 16179 Untertempel, der Eiheiji brachte es auf 1370 Tempelanwesen. (Bis zur Buddhistenverfolgung zu Beginn der Meiji-Ära.) 1936 hatte man 14226 Tempel, 29831 Geistliche und knapp 6,8 Mio. Anhänger. Um das Jahr 2000 waren es nach eigenen Angaben etwa 14700 Tempel, 28.000 Mönche und acht Millionen Anhänger. Die Sekte ist immer noch die bedeutendste buddhistische Schule außerhalb der amidistischen Gruppen. Heutzutage wechseln sich die Äbte von Eihei-ji and Sōji-ji im Turnus für zweijährige Amtszeiten als Oberster ab.
Im Westen fand die Sōtō-Schule vor allem Verbreitung durch die Werke 1) Suzuki Shunryu’s (1905–71), der 1959 nach San Francisco ging; 2) Deshimaru Taisen’s (1914–82), der ab 1967 zunächst in Paris wirkte; 3) Fumon Nakagawa Shōju. (*1947; 中川正壽. Erst im Allgäu, dann im eigenen Zentrum Eisenbuch (Erlbach/Allg.); seit den 1990ern den Lehren von Thich Nhat Hanh verbunden. Seit 2003 als „Zentrum für Heilsames Leben,“ firmiert man seit 2006 auch als Tempel Daihizan Fumon-ji.) Er ist ein japanischer Meister, der über dreißig Jahre in Deutschland arbeitet, in einem Tempel 110 km von München. Er gilt als Vertreter der offiziellen Sōtō-Tradition, also der japanischen Institution.

Sōtō-Zen-Praxis: Die von Dōgen niedergeschriebene Sōtō-Praxis (曹洞) ist faktisch mit jener des historischen Buddha identisch. In der Schrift Allgemeine Darstellung der Prinzipien des Zazen weist er darauf hin, daß selbst Buddha Schakjamuni sechs Jahre Zazen-Übungen (sitzende Meditation) praktizierte. Bodhidharma (der erste Ch’an-Patriarch) betrieb neun Jahre lang Zazen, um den Buddhageist zu übertragen … Will man Buddhas Weisheit realisieren, sollte man unverzüglich mit den Übungen beginnen. [Vgl. Kōan 5]

Einfache, nicht ritualisierte Meditation ist die Essenz des Zen. So wie sich Buddha vor seiner Erleuchtung im Wald ohne vorherige Meditation niedergesetzt und einen Vorgeschmack des Nirwana erhalten hatte, beschreibt Dōgen die Sōtō-Meditation als eine völlig natürliche Erfahrung. Doch obwohl die Weisheit sich spontan und nicht von außen einstellt, erfährt sie nur der Übende, der bei einem qualifizierten Meister gelernt hat. Insofern in der Sōtō-Schule Kōans eingesetzt werden, handelt es sich fast immer um „dialektische“ [goi-Kōans]. Unterscheidbar sind Rinzai- und Sōtō-Meditierende in ihren Zendō daran, daß letztere mit dem Gesicht zur Wand sitzen, erstere mit dem Rücken. Gemeinsam ist beiden der Einsatz des Stockes um die fanatische Hingabe zum Erreichen einer „korrekten“ Pose zu erreichen.

Dōgen brachte aus China eine Version des Bi-Yän-Lu mit sich, die als ichi-ya-hon (Bzw. „Buch der einen Nacht“ [auch: Ichiya hekigan] er soll es in einer Nacht abgeschrieben haben. Text u.a. herausgegeben von Suzuki Daisetz; 佛果碧巖破關撃節 [Bukka Hekigan hakan gekisetsu], 1942 [Iwanami Shoten]. Zur Enstehungsgeschichte siehe BYL II, 15 [untersuchenswert wäre die Paralelle zu Lao-tse, der der Legende nach bevor er weiter „nach Westen“ ritt seine Lehre in einer Nacht an der Grenzstation niedergeschrieben haben soll]) bekannt ist, jedoch erst seit dem Ende des Pazifikkriegs gedruckt zur Verfügung steht.
Zwei aus China übernommenen Kōan-Sammlungen aus der Sōtō-Schule sind: Cóngróng lù (從容録 W.-G.: Ts'ung iung lu, Erstdruck 1224; jp.: Shōyōriku) und Wanshi-[zenji]kōroku (erster Druck 1166), beide von Hóngzhì Zhèngjué (1091–1157; 宏智正覺, W.-G.: Hung-chih Cheng-Hüeh, jp.: Wanshi Shōgaku. Werke in modernem Japanisch in 凡俗による宏智拈古全評釈, 2010, ISBN 9784804612980; engl. Teilübs. in Book of equanimity, 2005, ISBN 9780861718023. Weiterführend Hóngzhi Zhēngjué’s 宏智正覺 silent illumination teachings as the roots of Dōgen-Zen 道元禅; 2017, M. A. San Dego Univ.). Dōgens Schriften fanden bis ca. 1930 in Japan nur innerhalb seiner Schule Verwendung. Erst der Essay Shamon Dōgen und die Studie von Akiyama Hanji Dōgen no Kenkyū (1935), gefolgt von Tanabe Hajimes Sōgōbenzo no tetsugaku shikan (正法眼蔵の哲学私観, Iwanami Shoten)
Tanabe war ein Schüler Heideggers, der 1924, also schon vor Erscheinen von Sein und Zeit, in der Zeitschrift Shisō den erstren Fachaufsatz über Heidegger überhaupt, veröffentlichte. Zu Heidegger und Japan ausführlich: 1) Buchner, Hartmut (Hg.): Japan und Heidegger; Sigmaringen 1989; 2) Denker, Alfred (Hg.); Heidegger und das ostasiatische Denken (Heidegger-Jahrbuch 7), Freiburg 2013.
(1939), sowie das als Replik an Akajima gedachte Shūso toshite no Dōgen Zenji (宗祖としての道元禪師, Iwanami Shoten. Neuauflagen ²1949, ³1957, ⁴1960; engl.: North American Institute of Zen and Buddhist Studies; Dōgen Zenji as founding patriarch; 2001, ISBN 0964378833) von Etō Sokuō 1944, machten ihn einem weiteren Publikum zugänglich.

Die moderne Interpretation von Dōgens Lehren basiert auf den Studien von Watsuji Tetsurō (和辻哲郎, 1889-1960; der erste auf kulturhstorischem Gebiet arbeitende Philosoph geschult in westlichem Denken. Überzeugt von der „Einmaligkeit japanischer Kultur.“ Er argumentierte in den 1930/40ern im Gegensatz zum üblichen faschistoiden Geschwafel über „Dai-Nippon“ auf hohem Niveau. Seine Konzepte bilden mit die Basis heutiger Nihonjinron-Prediger. Von ihm u. a. das erwähnte Shamon Dōgen 沙門道元 1922, 1936; engl.: 2011 (University of Hawaiʻi Press), ISBN 9780824835101) und Nishiari Bokuzan. (西有穆山, 1821-1910, = Kin'ei, als Mönch zugleich Künstler.) Die in Westen bekannten D. T. Suzuki (1870-1966), Nishida Kitarō (1870-1945; Philosoph) und ihre Schüler, wie z. B. Shin'ichi Hisamatu (1889-1980; Gründer F. A. S. Society) sind ebenso wie die Sambō-Kyōdan-Schule in Japan wenig beachtet.


Mumon Ekai (無門慧開)

Der in seiner Heimat Wúmén (W.-G.: Wu-mên Hui-k′ai (1184–1260) genannte soll aus Liang-chu (Bezirk: Hángzhōu, bereits zur Tang-Zeit ein Zen-Zentrum; im Westen der heutigen Provinz Zhèjiāng) stammen. Zuerst Schüler von Kung Ho-shang [jp.: Kō Oshō], später, beim für seine Strenge bekannten Rinzai-Meister Yuèlín Shīguān.(月林師観, W.-G.: Yüeh-li, 1143–1217; jp.: Gatsurin Shikan) Seine Erleuchtung bestätigte sein Meister nachdem er ihn mit Ho! angebrüllt hatte. (Anhand der „Lösung“ des Kōan „Mu,“ hier Kōan 18; oft auch als „Wu“ wiedergegeben)

Er ist ein Vertreter des Rinzai-Zen in der achten Generation der Yáng-qí (W.-G.: Yang-ch′i). Deren heutige Ausformung in Japan erfolgte durch Hakuin (1685–1768).-Tradition. Yuèlín setzte Wúmén als einen seiner Dharma-Erben ein. Es folgte eine etwa 20jährige Wander- und Lehrtätigkeit in mehreren Klöstern. Während dieser Zeit wurden die Aussprüche des Mu-mon-kan gesammelt. Zweifellos ist dies die beliebteste Kōansammlung.
Ekai gilt als ein Mönch, der zeitlebends bescheiden war und gerne handwerklichen Tätigkeiten nachging. 1246 erbaute er auf Wunsch des Kaisers Sòng Lǐzōng, (1205-64, W.-G.: Li-tsung; 宋理宗) (reg. 1224–64) das Zen-Kloster Jên-wang-ssu (jp.: Gokoku Ninnō-ji beim Westsee). Später wurde er vom Kaiser noch zum (erfolgreichen) Regenmachen während einer Dürre gerufen. Im Alter zog er sich in ein kleines Bergkloster beim „Westsee“ nahe (heute in) Hángzhōu zurück. Weiterhin existiert von Ekai noch Wu-mên ho-shang yü-lu, eine Sammlung von Predigten, Lehrreden usw. zusammengestellt von P′u-ching (jp.: Fukei).

Gestehung des Mu-mon-kan und Rinzai-Zen
Vollendet wurde das Mu-mon-kan (禅宗無門關) 1228 und erstmals 1229 gedruckt. In der zweiten Auflage, herausgegeben von Mêng Kung [jp.: Mū Kō] findet sich ein 49. Kōan, der allgemein als Teil der Sammlung gilt. Er soll auf Chêng Ch′ing [jp.: Tei Seishi; buddh: An-wan] zurückgehen, einem Laienanhänger Ekais. Wie auch im Bi-Yän-Lu handeln die meisten Kōans von Meistern der Tang-Zeit. Die ursprüngliche Ausgabe ist – ebensowenig wie ihr Titel – überkommen. Jedoch dürfte auch Mu-mon-kan auf den Verfasser zurückgehen. Laut Vorwort ist die Sammlung auf Wunsch seiner Schüler im Kloster Lung-hsiang entstanden.
Nach Japan wurde das Werk von Kakushin Shin'ichi (1207–98) gebracht, der sich während seines Chinaaufenthalts (1249–54) auch im Kloster Ekai’s aufhielt. Ein japanischer Blockdruck entstand 1246 im Kōkoku-ji (heute: Wakayama-ken), das Vorwort des chinesischen Herausgebers enthaltend. Dazu dann eine Widmung Wúmén’s an das Kaiserpaar und sein Vorwort. Die Kommentare zu den einzelnen Kōan beginnen mit 無門曰, „Wúmén sagt.“ Am Ende folgen zwölf weise Einzeiler (禪箴) Wúmén's. Ebenfalls mit enthalten ist ein 1230 von Wúliàng Zōngshòu (1002-69; 無量宗壽, jap. Oryo Enan) geschriebener Anhang betitelt Huáng lóngsān guān (黄龍三關). Dazu noch kurze Anhänge und ein 49. Kōan von Anwan. Die Ausgabe soll viele Fehler enthalten haben. Als autorativer japanischer Text gilt die Ausgabe Reizans aus dem Jahre 1405 (gedruckt im Tosotsuzan Kōon-ji). Im Taishō-Kanon (大正藏) ist das Werk als № 2005 in Bd. 48 aufgenommen.

Das Studium der Kōans wird vor allem in der Rinzai-Schule [ch. Línjì zōng] betrieben. Aus der Frühzeit der Rinzai-Schule, noch vor ihrer Aufspaltung in zwei Linien, sind im Mumonkan drei Meister genannt, von denen die beiden ersten, Fēngxué Yánzhǎo (896-973) (風穴延沼, W.-G.: Feng-hsüeh Yen-chao, L.-O.: Fëng-hsüä Yän-dschau, jp.: Fu-ketsu En-shō; BYL Gesang des 38. Beispiel; seine Kōans: Zen-Dust, S. 54f, 272) und Shou-shan Hsing-nien (926-992, 首山省念), unmittelbar aufeinander folgen. Eine Generation später wirkte Shih-shuang Ch′u-yüan (986–1040). (L.-O: Schou-schan Schëng-niän, jp.: Sekisō Soen gest. 1038/39) Die Kōan dieser drei Meister (Mumonkan Nr. 24, 43, 46) betonen die Unaussprechlichkeit und radikale Transzendenz der Erfahrung, sie werden von Meister Wúmén in seinem erklärenden Wort und Gesangvers gelobt und vertieft.

Die Rinzai-Schule teilte sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in die zwei Linien des Yang-ch′i Fang-hui (992–1049) (楊岐方會, jp.: Yōgi Hō'e) und Huang-lung Hui-nan (1002–1069) (黃龍慧南, jp.: Ōryū E'nan; BYL I 204 f, 215, 355. Vgl. Ferguson, A.; Zen’s Chinese Heritage: The Masters and Their Teachings; 2011 (Wisdom Publications), S. 401-407) mit seiner „Schule des gelben Drachen,“ ohne daß sich aus der Teilung der Traditionslinien Lehrgegensätze oder auch nur grundsätzliche methodische Verschiedenheiten in der Übung ergeben hätten. Wie bei der Trennung der Häuser kann höchstens von einer Verschiedenheit der Stilarten einzelner Meister die Rede sein. Die Begründer der Traditionslinien spielen im Mumonkan keine besondere Rolle. Nur zwei Vertreter aus der Linie des Huang-lung kommen in der Sammlung vor. Wúmén Hui-k'ai (jap.: Mumon Ekai, 1184–1260), stammt selbst aus der Traditionslinie des Yang-ch’i, in der in der dritten Generation Wu-tsu Fa-yen (1024?–1104) (jp.: Go-so Hō-en, „mein Lehrer vom Berg des 5. Patriarchen“ im BYL häufig. Mumonkan: 35, 36, 38, 45) hervorragt. Wenn man Sōtō- und Rinzai-Zen vergleicht, so erscheint die erstere Schule als die friedfertigere, die zweite als die dynamischere.
Das eigentliche Studium der Kōan macht in der Rinzai-Schule den Kern des geistlichen Weges aus, die besonders innerhalb der Samurai-Klasse Verbreitung fand.

Hakuin Ekaku (1686–1768) ist hier der große Meister. Mit seinem Namen ist die Systematisierung des Kōan-Studiums verknüpft. Hakuin erfand selbst eine beträchtliche Anzahl von Kōan, darunter das Kōan vom Ton der einen Hand. Er legte größten Wert auf die Vertiefung des Erleuchtungswissens nach der ersten Erfahrung und gab ausführliche Anweisungen für das fortgesetzte Kōan-Studium. Seine beiden Jünger in der dritten Generation, Inzan Ien (1751–1814; 隠山)Biogr.: Tsuji Tōzan, Gotō Zuigan [1879–1965] (Hrsg.); 隠山録 [Inzan Roku]; Gifu 1942 (Zuiryō-ji) und Takujū Kosen (1760–1833), brachten das Kōan-System zum Abschluß. In den Linien dieser zwei Jünger kam es zu einer gewissen Standardisierung der Kōan-Antworten, die in ein Kennwort (jakugo) gefaßt wurden. Diese Kennworte entwickelten sich wahrscheinlich aus den Erleuchtungsversen der Altmeister. In den beiden auf Hakuin zurückgehenden Zweiglinien des japanischen Rinzai-Zen wurde die bis heute übliche Etikette beim Kōan-Studium fixiert, die vielleicht zu den feudalistischen Elementen in der Rinzai-Schule gerechnet werden kann. Daraus ist ein ziemlich „versteinerter“ Lehrplan entstanden, der jedoch für jede Tempeltradition variiert. Bei der Systematisierung des Kōan-Studiums spielt die Anordnung der für die Übung ausgewählten Kōan eine wichtige Rolle. Die Anordnung ist zwar nicht unbedingt festgelegt – jedes Rinzai-Kloster pflegt bei der Auswahl der Kōan seine traditionellen Besonderheiten – aber die Kōan werden doch in einer bestimmten, keineswegs beliebigen Reihenfolge vorgelegt.
Die Dauer der Übung bis zur Erlangung einer ersten Erfahrung wird im Rinzai-Zen für gewöhnlich auf 2-3 Jahre veranschlagt, es bedarf dann noch weiterer 10-15 Jahre intensiven Kōan-Studiums bis zur völligen Meisterung des Zen-Weges. Der Schüler soll dann sein Kloster verlassen, und den so angelegten „heiligen Fötus“ reifen lassen (seitai chōyō), bevor er selbst lehrt.

Insofern im Westen von Zen die Rede ist wird fast immer die Ausprägung des Rinzai-Zen darunter verstanden, da dies die Schule ist, die durch die Werke Suzuki Daisetz' primär bekannt gemacht wurde. (Auch sämtliche koreanischen Zen-Schulen gehören zum Rinzai.)


Wilhelm Gundert (1880–1971)

Verfasser der Übersetzung des Bi-Yän-Lu, aus dem in den Anmerkungen zum Text auf dieser Webseite häufig zitiert wird. Diese Sammlung ist zum Zen-Verständnis (sofern man im Zusammenhang mit »Zen« das Wort Verständnis benutzen darf) von grundlegender Bedeutung.

Wilhelm Gundert (12.4.1880–3.8.1971) war der Vetter von Hermann Hesse. (Zur engen Beziehung der beiden siehe Weber, Jürgen; Der japanische Vetter: Hermann Hesse und sein Ostasien-Berater Wilhelm Gundert;Neuengörs 2011 Volltext) … Gundert and Hesse hatten denselben Großvater, den Missionar and Indologen Hermann Gundert […] Beide Eltern von Wilhelm Gundert sind ebenfalls in Indien zur Welt gekommen. Gundert studierte […] und wurde dann Pfarrer and Missionar. Als Mitglied der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung kam Gundert mit dem Japaner Uchimura Kanzō zusammen, der einen tiefen Eindruck bei ihm hinterließ. Gundert ging 1906 als selbständiger Missionar nach Japan. Dort wurde für ihn auch die Begegnung mit Kierkegaards Denken entscheidend. Fast von Anfang an lehrte Gundert auch die deutsche Sprache an einem bedeutenden staatlichen College in Tôkyô und legte gleichzeitig den Grund für seine meisterliche Kenntnis des Japanischen. Später war er noch zweimal als Lektor an staatlichen Hochschulen tätig: in Kumamoto (1915-1920) und Mito (1922-1927). […] Nach einem Aufenthalt in Deutschland war Gundert seit 1927 Leiter des Japanisch-Deutschen Kulturinstituts Tōkyō [seit 1934 Pg.] und wurde 1936 an die Universität Hamburg berufen. Er lebte bis an sein Lebensende bei Ulm.
Seine Dissertation trägt den Titel Der Schintoismus im japanischen Nō-Drama (1925). Die bedeutendste Arbeit Gunderts ist die – unvollendet gebliebene – Übersetzung des Bi-yän-lu („Meister Yüan-wu’s Niederschrift von der Smaragdenen Felswand“), das wohl wichtigste Werk des Zen-Buddhismus aus dem 12. Jahrhundert. Dieses Werk in der Übersetzung seines Vetters hat Hermann Hesse so nachhaltig beeindruckt und beeinflußt, daß Hesse den zweiten Teil von »Siddhartha« seinem Vetter gewidmet hat.

In seiner hamburger Zeit trat Gundert virulent für die Nutzung der Umschrift (Dazu von ihm Nihonsiki Romazi, die japanisch-nationale Lautschrift; Ostasiatische Rundschau. Jg. 8 (1928), S. 127-130) des japanischen Erziehungsministeriums, die die „fremde“ aber deutlich praxisbezogenere des amerikanischen Missionars James Hepburn (1815–1911) ersetzen sollte. Der Streit mit dem berliner Prof. Clemens Scharschmidt (verschollen Mai 1945) zog sich über Jahre hin. Von seiner Lehrbefugnis wurde Gundert 1945 „entpflichtet,“ weil er seinen „Kriegseinsatz der Sozialwissenschaften“ (Detailliert dazu: Strategies in Representing ‘Japanese Religion’ During the National Socialist Period: The Cases of Kitayama Junyû and Wilhelm Gundert; in: Study of Religion under the Impact of Fascism; Leiden 2007 (Brill); ISBN 9789004163263; Volltext.) 1000 Jahre lang doch zu entschieden vertreten hatte.

Achim Seidl, (Achim Seidl hat versucht, die ersten 50 Kōans Gunderts, auf etwa ein Viertel »verdichtet,« leichter zugänglich zu machen. Über Gunderts zweiten Band hatte er Ende 1967 in der Süddeutschen, wie folgt geurteilt: … En passant lohnt immer ein köstlicher Perlenfund die chinesische Lesemühe: eingestreute Frage- und Antwortspiele – auf Leben und Tod. Abendländische Wertvergleiche quer durch die Kulturbank sind kaum erlaubt, aber nach subjektiver Hochrechnung könnten manche dieser Kōan-Gespräche aufwiegen: einen halben sokratischen Dialog oder ein Kapitel aus dem Alten Testament, die Vorrede zur 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft, – von hinten herein gedacht eine Grammophon-Platte von Karl Valentin und ich weiß nicht wie viele Zitate aus Maos roter Bibel. – Das Wort, eine Schlange um zu töten und ein Serum zum Lebendigmachen.) der eine deutlich verkürzte Übersetzung des Bi-yän-lu auf Basis der Gundert'schen Arbeit herausgab erinnerte sich: Das letztemal erlebte ich Wilhelm Gundert kurz vor seinem Eingehen in die – doch wohl urchristliche – Verwandlung. Carl Hanser hatte mich gebeten, den inzwischen Neunzigjährigen, der immer noch unbeirrt akribisch jedem Detail nachging, davon zu überzeugen, jetzt doch alles wissenschaftliche Rankenwerk hintanzustellen und nur noch die beispielentscheidenden Fragen und Antworten ins Deutsche zu bringen; denn es gebe sonst niemanden auf der Welt, der das in der Weise könne.
Gundert hörte sich das an und sagte nach einer Weile: So, der alte Hanser will also, daß ich noch die Quintessenz aller restlichen Beispiele übersetze … ja, wie stellt der sich denn das vor …? DA MÜSSTE ICH JA NOCH MINDESTENS SIEBEN WOCHEN LEBEN!
Ganz unvorbereitet, da der greise Gundert ja lebendig vor mir stand, traf mich diese Rede wie ein Blitz aus heiterem Nirvana; ich war entgeistert und unheimlich erhellt zugleich. Wir sahen uns an. Und da im Zen, beim „großen Trommelschlag des Herzens,“ lieber schallend gelacht als laut geweint wird: so lachten wir beide spontan eben Tränen.

Bi-yän-lu

Es handelt sich hierbei um die bedeutendste Kōan-Sammlung (Taishō Nr. 2003), neben dem Mumonkan und um eines der grundlegendsten Werke zum Ch’an (Zen). Der volle chinesische Titel des Bi-yän-lu“ lautet Fo-kuo Yüan-Wu Ch’an-shih Pi-yen lu (jp.: Bukka Engo zenji hekigan roku; engl. als “Blue Cliff Record” oder “Green Grotto Record”). Zusammengestellt von Pǔzhào (W.-G.: P’u-chao, 普照; jp.: Fu-Shō), herausgegeben von Guān Wúdǎng. (関無党, W.-G: Kuan Wu-tang, jp.: Kan Mutō) Der Verfasser ist (1063–1135; 圜悟克勤, W.-G.: Yüanwu K’o-ch’in, jp.: Engo Kokugon) Die im Titel genannten Ehrentitel Fo-kuo und Ch’an-shih [jp.: Bukka zenji] sind vom Hof verliehen.
Die Zusammenstellung (Zur Geschichte des Werkes finden sich ausführliche Angaben in Gunderts Einleitung und Fuller-Sasaki, Zen-Dust, S. 356. Zur Entstehungsgeschichte des Bi-Yän-Lu und der verschiedenen tradierten Versionen siehe BYL II, S. 15. Der japanische „endgültige Text“ findet sich in: Itō Yūten; Heki-gan-shu Tei-hon; Tōkyō 1963 (Risōsha). Die kommentierte englische Übersetzung von R. D. M. Shaw; The Blue Cliff Records; London 1961, wird allgemein als mangelhaft betrachtet. Unter dem gleichen Titel gibt es eine weitere von Cleary, Thomas; Berkeley 1998. selbst basiert auf der Sammlung repräsentativer Kōans von Xuědòu Zhòngxiǎn, (980–1052; 雪竇重顕, W.-G.: Hsüeh-tou Ch'ung-hsien, jp.: Setchō Jūken) einem Meister der Yünmên [Ummon] Schule.

Zum Vergleich verschiedener Ausgaben, das 52. Beispiel:

1. Gundert

[vorausschickend 3 Seiten (Die Schrift bei Gundert ist deutlich kleiner gesetzt als in den beiden anderen Werken. Auch sind seine, hier nicht zitierten, Erläuterungen ausführlicher als in den beiden anderen Übersetzungen) „zur Orientierung.“]

Das Beispiel
Wir legen vor:
Ein Mönch trat vor Dschau-dschou mit der Frage [d. h. mit der auf eine Antwort rechnenden Bemerkung]: Mir klingt seit langer Zeit die Steinbrücke von Dschau-dschou in den Ohren. Und wie ich nun hierher komme, da finde ich nichts als notdürftig aufgelegte Bretter.
Dschau-dschou antwortete: Du siehst eben nur den Bretternotsteg, aber nicht die Steinbrücke.
Der Mönch sagte: Was ist es denn mit der Steinbrücke? Dschau-dschou antwortete: Auf der kommen die Esel herüber, und kommen die Pferde herüber

Gesang
NICHTS einsam Steiles stellt er hin, sein ganzer Weg ist Höhe.
Auf See beim Angeln ist er nur auf Riesenschildkröten aus.
Magst lachen, wenn zu gleicher Zeit vom Gießbachtal der Alte
Es „pfeilschnell“ nennt. Auch das, versteh! bedeutet Kraftvergeudung.
[Fußnote]

Aus der "Erläuterung des Gesangs" von Yüan-wu
Ein Mönch kam zu Guan-tji, dem Alten in der Gießbachschlucht, und sagte: Schon lange klingt die Gießbachschlucht mir in den Ohren; und wie ich nun hier bin, finde ich nichts als ein paar Wasserlachen, in denen man zur Not Hanf waschen könnte.
Der Alte erwiderte: Du siehst eben nur die Wasserlachen, aber nicht die Gießbachschlucht.
Der Mönch sagte: Und wie ist es mit dieser?
Guan-tji erwiderte: Da schießt das Wasser pfeilschnell herunter.
[Abschließend über drei Seiten „Erklärung zum Text“ und der Verweis auf BYL I, 61 zu Dschau-Dschu.]

2. Schwarz

Ein Mönch sagte zu Meister Dschau-Dschou: Die Steinbrücke von Dschau-Dschou wird seit alters sehr gerühmt. Nun bin ich hierher gekommen und finde nichts als eine Notbrücke vor.
Du siehst eben nur eine Notbrücke darin, nicht die Steinbrücke, entgegnete Dschau-Dschou.
Und was soll diese Steinbrücke sein? fragte der Mönch.
Das, was Esel und Pferde darüber schreiten lässt, erwiderte der Meister.

In Versen ausgedrückt
Auf 'Hochgestochnes war er nicht erpicht,
darum gewann sein Wort auch an Gewicht.
Wer es hinab bis zu dem Meergrund schafft,
der fange eine Schildkrot, riesenhaft.
Zum Lachen ist Mönch Leit-Bach*, sagt er doch,
sein Geist fliegt wie der Pfeil, ja, schneller noch
Mit solchen Worten täuschst du andre nie.
So ist verloren alle Liebesmüh.

Auslegung der Verse
… (Hsüe-Dou schreibt:) Auf Hochgestochnes war er nicht erpicht,/ darum gewann sein Wort auch an Gewicht. Man könnte ja ein tausend Fuß hohes Podest errichten, um zu zeigen, daß das Gesetz Buddhas wundersam erhaben und wirksam ist. Doch trotz aller Hochgestochenheit und Erhabenheit reicht eine solche Haltung nicht heran an den, der „auf Hochgestochenes … nicht erpicht“ ist, sondern mit gewöhnlichen und natürlichen Mitteln vorgeht, nichts Besonderes aufbaut und doch Besonderes scharrt, sich nicht auf Hochgerstochenes stützt, und dennoch Erhabenes hervorbringt. Seine Triebkraft allerdings muss sich durch Eigenheit und Beherztheit auszeichnen, um eine wundersame Wirkung zu erzielen. So schreibt Hsüe-Dou: Wer es hinab bis zu dem Meergrund schafft,/ der fange eine Schildkrot, riesenhaft. Seht doch, sein Augenmerk war auf die Lehre gerichtet, so vermochte er mit Leichtigkeit das rechte Wort zu finden. Seine Triebkraft setzte er auch so ein, daß sie nicht auf den Fang von Krabben, Schnecken und Muscheln gerichtet war, sondern auf den Fang riesengroßer Schildkröten. Das zeigt, daß er als Meister in seinem Fach gelten kann …
(Hsüe-Dou schreibt:) Zum Lachen ist Mönch Leit-Bach, sagt er doch,/ mein Geist fliegt wie der Pfeil, ja, schneller noch. Ihr kennt wohl die Geschichte von Guan-Hsi – dem Meister Leit-Bach –, den ein Mönch fragte: Wie kommt es doch, daß Meister Leit-Bach schon lange so bekannt ist, und daß ich jetzt, da ich ihn selber sehe, nur ein Bächlein vorfinde, gerade gut genug noch, um Hanf darin zu waschen? Du siehst eben nur einen Bach zum Hanfwaschen, nicht aber den richtigen Leit-Bach! Und was ist denn dieser richtige Leit-Bach? fragte der Mönch. Ein Pfeil, der mächtig schnell dahinschießt, bekam er zur Antwort … Hochgestochenes hat zwar auch seine Berechtigung, aber es hat auch unvermeidlich etwas Gekünsteltes an sich, so daß es schließlich nicht an Dschau-Dschou′s Einfachheit heranreicht.
[Abschießend über 1 Seite „Anmerkung des Übersetzers“ und drei Fußnoten.]

3. Lengsfeld

Der Fall
Ein Mönch sagte zu Jōshū: Seit langem habe ich davon gehört, wie berühmt die Steinbrücke von Jōshū ist. Jetzt aber, da ich hier bin, kann ich nur einen brüchigen Holzsteg sehen.
Jōshū entgegnete: Du siehst also nur den Holzsteg, du siehst nicht die Steinbrücke.
Da fragte der Mönch: Was ist die Steinbrücke? Jōshū antwortete: Sie lässt Esel darüber gehen, sie lässt Pferde darüber gehen.

Setchōs Vers
Nichts Außergewöhnliches, nichts Gefährliches –
doch ganz erhaben ist sein Weg.
Eingetaucht ins Meer, fängt er riesige Schildkröten.
Wie lachhaft! Ein Zeitgenosse des älteren Kankei!
Vergebliche Mühe, obwohl er „schwirrender Pfeil“ sagen konnte.

TEISHO
Für diesen Fall gibt es wie auch zu einigen anderen keine Einführung. Doch weil er von Jōshū handelt, könnte eine andere Einführung zu einem Jōshū-Kōan auch für dieses Kōan passen, zum Beispiel die Einführung zu Fall 9 des Hekiganroku. Ich möchte sie euch ins Gedächtnis rufen:
Steht der Spiegel blank auf seinem Ständer,
ist Schönes und Hässliches sofort zu unterscheiden.
Mit Bakuyas Schwert in seiner Hand
kann er je nach Situation töten oder Leben geben.
Kan verschwindet, Ko kommt. Ko kommt, Kan verschwindet.
Im Tod gewinnt man Leben, im Leben gewinnt man den Tod.
Aber sagt: Wenn ihr an diesem Punkt seid, was dann?
Habt ihr nicht das Auge, um diese Schranke zu durchdringen,
oder einen Ort zur Umkehr, wird offensichtlich,
daß ihr dann nicht wisst, was zu tun ist.
Sagt mir: Welches ist das Auge, das diese Schranke durchbricht?
Wo ist der Ort, sich umzuwenden?
Ich will euch ein Beispiel zeigen. Schaut her!
Wie ich schon öfter gesagt habe, wenn ich von Jōshū sprach, hatte er alle Spuren der Satori-Erfahrung und allen Zen-Glamour abgelegt und war zu einem ganz gewöhnlichen, aber vollkommenen Menschen geworden. Wer zu einer Erleuchtungserfahrung gelangt, erlebt anfangs viel von dem gleißenden Glanz der strahlenden Satori-Aureole. Man kann es mit einem Bambussprössling vergleichen, der anfangs in seiner hellgrünen und feuchten Frische noch glänzt und glitzert. Wird er dann reifer und älter, verwandelt sich der feuchtglänzende hellgrüne Sprössling in einen ausgewachsenen, festen Stamm. An den jungen Grünlingen sind die Handwerker, die Bambus verarbeiten, nicht interessiert. [Folgt interpetierende Bemerkung zu Jōshū Lebensweg. Abschießend über 3 Seiten „Zum Fall“ und fast 4 „Zum Vers“]


Karlfried Graf Dürckheim-Monmartin (1896–1988)

„Psychologe, Meditationslehrer und spiritueller Meister,“ dem Bohners Übersetzung auf dem Vorsatzblatt „zugeeignet“ ist, „lebte nach Studium und Professuren in Deutschland von 1937–1947 in Japan, wo er die Bedeutung der meditativen Praktiken des Zen auch für die geistige Gesundheit des westlichen Menschen entdeckte.“
Auf dieser Grundlage hat er seine Initiatische Therapie entwickelt, die im Zentrum Todtmoos-Rütte angewandt wird.

Existential-psychologische Bildungs- und Begegnungsstätte Todtmoos-Rütte
Schule für Initiatische Therapie
Dürckheim-Zentrum

Mit der Initiatischen Therapie (initiare: das Tor zum Geheimen öffnen) entwickelten Anfang der 50er Jahre Prof. Dr. K. Graf Dürckheim und Dr. M. Hippius-Gräfin Dürckheim eine Seelenheilkunde, die jene Dimension im Menschen einbezieht, in der das Leben auf existentielle Weise in Frage gestellt ist: jener Punkt, an dem der Mensch durch Schicksal und innere Erschütterung keinen Ausweg, keine Sinnhaftigkeit mehr vor Augen hat. Sich an diesem Punkt als 'gemeinter' Mensch angesprochen wissen zu dürfen, kann den Weg von der „Störung“ hin zur Vertiefung und Erweiterung der Persönlichkeit bahnen.
Eine Kraft wird geahnt, die nach Ausgestaltung und Verwirklichung verlangt, eine Kraft, die auch ver-rücken und verstören kann. Dieses Geschehen als „göttliche Störung“ verstanden, meint den ganzen Menschen und ruft ihn zu einer neuen Ordnung auf. […]
Die Initiatische Therapie meint immer zugleich Initiation und Individuation, Erfahrung und Wandlung. … Sie ist Arbeit am Kern und umfaßt die individuelle Begleitung in Lebenskrisen. … Seelische und psychosomatische Störungen werden in der Initiatischen Therapie als Anzeiger für Verhinderungen auf dem Weg der Menschwerdung (Individuation) verstanden. […]

Soweit die Selbstdarstellung. Die nachfolgenden biographischen Angaben entstammen im wesentlichen Trimondi, Victor und Victoria; Hitler-Buddha-Krishna; Wien 2002 (Ueberreuter), ISBN 3-8000-3887-0:

Geboren in München, 1914 Notabitur mit folgendem Kriegseinsatz, 1919 im Freikorps gegen die Bayrische Räterepublik. Danach stramm-rechte publizistische Tätigkeit. Nach eigenen Angaben satori beim Lesen des Tao-Te-King. Psychologiestudium, Habilitation am 17.02.30. 1931 Professur an der pädagogischen Hochschule Breslau, im Jahr darauf in Berlin. Nach 1933 weiter im Staatsdienst, obwohl Vierteljude. Hitler wurde er 1935 vorgestellt und vermittelte später dessen Treffen mit Lord Beaverbrook. (Der spätere General Alfred Dürckheim-Montmartin (1850–1912) war Flügeladjudant bei König Ludwig II von Bayern. Die Familie hatte beste Verbindungen „in höchsten Kreisen.“) Im selben Jahr auch Mitarbeiter des „Büro Ribbentropp“ mit der von Heß explizit festgelegten Aufgabe der Betreung des Auslandsdeutschtums.
1938 in diplomatischer Mission erstmalig in Japan. Erneutes Satori bei einer Teezeremonie. Nach eigenen Angaben im Jahr darauf, nach „Berichterstattung“ in Berlin erneut in Japan mit dem Auftrag „Kontakt mit japanischen Wissenschaftlern aufrecht zu erhalten.“ Ab 1938 Kontakt mit Zen (u. a. auch mit demselben Bogenschieß-Lehrer wie Herrigel). Begeisterung für die Erziehungsnatur des Krieges im Sinne des Bushido. Veröffentlicht auf japanisch Neues Deutschland – deutscher Geist, Tōkyō 1942. Am Führergeburtstag zweistündige Rede zum Thema vor dem deutsch-japanischen Kulturinstitut in Kumamoto.

Der Zeitzeuge Dietrich Seckel – Lektor für deutsche Sprache und Kultur an japanischen Universitäten von 1937 bis 1947 – erlebte den Grafen als fanatischen „Top-Nazi:“ Dürckheim ging auch in die Klöster und hat dort Meditation betrieben, so Seckel. Aber diese Vertiefung in das zen-buddhistische Japan war zum Teil sehr übertrieben. Vor allem wenn man sah, wie er gleichzeitig Nazipropaganda machte. […] Ich habe ihn einmal bei einem Empfang in der deutschen Botschaft erlebt. Dort erklärte er einem berühmten japanischen Nationalökonomieprofessor, einem vornehmen alten Herrn in braunseidenem Kimono, die deutsche Reichsidee, indem er ihm den Zeigefinger auf die Brust setzte. Dieser arme Professor wich langsam zurück, bis er an eine Wand kam und nicht mehr weiter zurückkonnte. Es war Mitleid erregend, wie Dürckheim versuchte, ihn zu indoktrinieren. Graf Dürckheim hat sich vor allem auch als Helfer und Freund der deutschen Lehrer gefühlt. Er hat uns mit allem, was er uns bieten konnte, begegnet. Er hielt überall und ununterbrochen Vorträge, die auch ins Japanische übersetzt wurden. Die deutschen Texte wurden dann an sämtliche Deutsche in Japan verteilt. Beinahe täglich bekam man mit der Post irgendeinen Vortrag von Graf Dürckheim. Es war schrecklich. Er war sozusagen ein Edelpropagandist von hohem intellektuellen Niveau, der durch das Land zog und den Nazismus und die Reichsidee predigte. Offensichtlich empfand Hermann Bohner, der ja als Sprachlehrer in Ōsaka zweifellos die gleichen Materialien erhielt, nicht so. Hätte er sonst Dürkheim sein Werk zugeeignet?

Zum Führergeburtstag 1944 gab es für den „politisch untragbaren Vierteljuden“ [Eigendarstellung, 1000 Jahre später] das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse. Das unermessliche Leiden, das heute in Deutschland ist, wird das deutsche Volk um eine Stufe höher bringen und noch mehr zu sich selbst, und tiefere Lebenseinstellungen gebären, schrieb er an einen Freund in den letzten Kriegstagen. Der Krieg wird für ihn zum persönlichen Individuations-Erlebnis (siehe oben: Therapie). Nach Kriegsende, als einer der wenigen „obnoxious Germans“ für 16 Monate eingesperrt, bis dann 1947 die Deportation erfolgte. In Deutschland begann er, zusammen mit Maria Hippius, den Aufbau des erwähnten Zentrums. Gleichzeitig rege Publikationstätigkeit. Achim Seidl, der mit Dürckheim zusammen ein Buch verfassen sollte, warf diesem vor, daß seine himmelhoch abgehobene Sprache kaum noch etwas mit Zen zu tun habe und bot ihm an, seine Werke ins Deutsche zu übersetzen.
Am bekanntesten ist: Hara – Die Erdmitte des Menschen, 1954. Dessen Philosophie basiert vor allem auf den idealisierten Vorstellungen des Bushido [vgl. Kusonoki]. Weiterhin sind die Ideen des italienischen Faschisten, Baron Julius Evola (1898–1974), mit eingeflossen. (z. B. „Über das Initiastische“ in antaios, Vol. IV, 2 [1964], S. 152-; Vielzahl weiterer Werke ab 1926. Zur Lehre War-Time Connections: Dumézil and Eliade, Eliade and Schmitt, Schmitt and Evola, Drieu La Rochelle and Dumézil; in: Study of Religion under the Impact of Fascism; Leiden 2007 (Brill); ISBN 9789004163263) Dürckheim ist nach langem Leiden im Alter von 92 Jahren verstorben.


Kusunoki Masahige (楠木正成, 1294–1336)

Kusunoki Masashige wurde 1294 in Kawachi (zwischen Ōsaka und Nara) geboren. Erzogen in einem buddhistischen Kloster, stieg er innerhalb der höfischen Beamtenschaft auf, war aber zugleich bekannter Samurai. Als Stammsitz besaß er eine Burg am Berg Kongo. Mit seinen Vasallen unterstützte er zunächst den Kaiser Go-Daigo (後醍醐, „regiert“ 1318–39) gegen das Kamakura-Shogunat (幕府, Bakufu). Er gilt als ein früher Meister dessen, was man heutzutage als Guerilla-Krieg bezeichnen würde. Auf diese Weise gewann er einige kleinere Schlachten. So konnte er 1333 durch Kriegslisten die Festung Chihaya mit 2000 Kämpfern gegen 100000 Belagerer zehn Wochen lang halten. Diese Zeit konnte der geflohene Kaiser zu einer politischen Reorganisation nutzen.

Nach der Restauration Go-Daigos, bekämpte er 1336 dessen Widersacher, den usurpierenden Shogun Takauji. Die entscheidende Schlacht fand am 5. Juli 1336 am Fluss Minato statt. 35.000 Ashikaga-Kämpfer standen etwa 17000 Go-Daigo-Kriegern gegenüber. Das Kaiserheer war zweigeteilt. Ein Teil zog sich plötzlich zurück, so daß Kusunoki auf sich gestellt war. Von zwei Seiten angegriffen, versuchten sich Kusunokis Männer verzweifelt zu wehren, bis am Abend das Heer fast komplett aufgerieben und Kusunoki schwer verwundet war. Kusunoki Masashige zog sich zusammen mit seinem Bruder Masaue auf einen Bauernhof zurück, wo beide Seppuku („Harakiri“) verübten. Diese Selbstentleibung gilt als Essenz der japanischen „nationalen Seele,“ weshalb Kusunoki verehrt wurde. Ihm zu Ehren wurde Nanko-San Tempel an der Stelle gebaut, wo er starb. In Kobe wurde ihm der Minatogawa-Schrein gewidmet. Außerdem ist er auf der japanischen Verwundeten-Medaille dargestellt.

Seine als Handreichung für den jungen Kaiser abgefaßte Schrift Jinnō-Shōtōki, von Hermann Bohner als „Buch von der Wahren Gott-Kaiser-Herrschaftslinie“ 1935–39 übersetzt, wurde zunächst von der nationalistischen Mitō-Schule (kokugaku) im 18. Jahrhundert und dann ab der späten Meiji-Ära, als es Pflichtlektüre in der Oberstufe war, zur Rechtfertigung der militaristischen Expansion. Während der nationalistisch übersteigerten Taishō- und frühen Shōwa-Ära wurde er zum Nationalhelden stilisiert (vgl. den vierten Kōan), der – loyal zum Kaiser – sich in aussichtsloser Lage für diesen durch Bauchaufschlitzen opfert (jibakutei). 1944/45 wurde er daher der „Schutzpatron“ der Kamikaze-Piloten.

Noch heute findet sich eine Reiterstatute des „Helden“ vor dem Kaiserpalast in Tōkyō. – Eines von vielen Zeichen für den unreflektierten Umgang der Japaner mit ihrer imperialistisch-faschistoiden (basierend auf Tanaka Geiichis Welteroberungs-Memorandum des Jahres 1927) Geschichte (neben dem Yasukuni-Jinsha). Inwieweit die Weigerung MacArthurs den Shōwa-Tenno als Kriegsverbrecher verurteilen (und aufhängen) zu lassen, als Ursache zu sehen ist, muß Spekulation bleiben.


Karl Eugen Neumann (1865–1915)

hat durch seine wunderschöne poetische Übersetzung der Hauptwerke des Pālikanons auf deutsch verfügbar gemacht.

Die erstmals teilweise 1896–1902 erschienene Übersetzung, wurde vollständig bei Piper (München) 1919–22 verlegt. Neumann war von der Güte seiner Arbeit sehr überzeugt. Die Urteile der zeitgenössischen Philologen waren jedoch vernichtend (besonders Otto Franke und Paul Dahlke). Tatsächlich haben sich einige Falschübersetzungen von Termini eingeschlichen, die das Verständnis trüben. Diese lassen sich auf 1½ Seiten DIN A4 ausdrucken - keine so schlechte Quote, wenn man bedenkt, daß alleine die „längere Sammlung“ mit umfangreichen Anmerkunsgapparat 1057 Seiten stark ist. Neumanns Interpretation des Buddhismus im Schopenhauer’schen Sinn ist angreifbar. Die Qualität der Arbeit wurde erst später allgemein anerkannt. Besonders an der Uni Konstanz hat man es sich angehen lassen, das Werk des wiener Indologen zu erschliessen. Bedauerlicherweise hat sich das Urteil seiner Zeitgenossen perpetuiert, was wohl auch auf Konkurrenzneid basiert, so arbeitete Paul Dahlke am selben Material und hat ein sehr viel schlechterte Teilübersetzung abgeliefert. Neuere Editionen:

  • Die Reden Gotamo Buddhos: Gesamtausgabe in drei Bänden; Übertragen von ; Zürich (Artemis); Wien (Zsolnay)
    1. Aus der mittleren Sammlung Majjhimanikāyo zum erstenmal übersetzt; 1956; 1197 S.
    2. Aus der längeren Sammlung Dighanikāyo des Pāli-Kanons übersetzt; 1957; 1063 S.
    3. Die Sammlung der Bruchstücke. Die Lieder der Mönche und Nonnen. Der Wahrheitspfad. Anhang. , 1006 S.
  • Eine weitere Ausgabe ist erschienen beim Verlag Beyerlein u. Steinschulte, Herrnschrot , ISBN 3-931095–15-0 [längere Sammlung]
    Digitale Edition davon: Die Reden Buddhas: Kommentierte Übertragung aus dem Pāli-Kanon / [Übers.:] K. E. Neumann; Berlin (Directmedia), 1 CD-ROM, Sert.: Die digitale Bibliothek 86, ISBN 3-89853–186-4
  • Ebenfalls online: Der Wahrheitpfad, Dhammapadam; ein buddhistisches Denkmal (Volltext)

Dies wurde dem Webseitengestalter klar als er 2016 ein Gespräch mit dem australischen Theravāda-Mönch Sujato hatte. Dieser hat sich vom jugendlichen Straßenmusiker in Sydney zu einem Pāli-Übersetzer gewandelt (wenn er auch keine akademische Ausbildung hat). Er sucht mit seinem Kollegen Brahmali vor alllem nach dem „authentischen“ Buddhawort (ganz im Gombrich'schen Sinne). Die Jahre 2017-8 verbrachte Sujato zurückgezogen in der chinesischen Provinz Taiwan, um die Nikayas neu ins Englische zu übertragen, um die Fehler und Kürzungen zu korrigieren, die die von ihrer viktorianisch-puritanischen verblendete Übersetzerin der bisherigen Standardausgabe auf Englisch, I. B. Horner, mehr oder weniger absichtlich u. a. in die Vinayatexte eingebaut hat. Herausgekommen ist leider nur eine zusammenfassende, moderne Intrepretation durc Sujato, die man besser als Zusammenfassung des Sinns, denn als Übersetzung bezeichnen kann.
Während des erwähnten Gesprächs meinte Sujato: “I have heard (Hier mit Sicherheit nicht als weises “evam me suttam” zu verstehen) that Neumann’s work is more of a re-telling.” Hier haben wir also jemanden, der sich seit drei Jahrzehnten in tiefer Schau übt, seine Eindrücke hinterfragt, („Glaubt den Schriften nicht, glaubt den Lehrern nicht, glaubt auch mir nicht. Glaubt nur das, was ihr selbst sorgfältig geprüft und als euch selbst und zum Wohle dienend anerkannt habt.“) aber nicht über den Tellerrand hinauszublicken fähig oder willens ist, sondern lediglich eine jahrzehntealte Äußerung des eher engstirnigen konvertierten deutschen Juden Nyānatiloka’s wiederkäut - ein wahrer Theravādin.
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Takeno Jōō (1502/3-1555; 武野紹鴎)

Takeno Jōō war ein Teemeister, der als geistiger Nachfolger von Murata Jukō (村田珠光, 1423–1502) gilt. Er formulierte als erster ein Konzept vom Wabi beim Tee, dies wurde zur Grundlage vor der endgültigen Ausformung durch seinen Schüler Sen Rikyū und Gempaku.

Jōō war ein Nachfahrer der Buke-Familie der Takedas, die Vasallen der Wakasa gewesen waren. Sein Vater Nobuhisa, änderte den Familiennamen und ließ sich in Sakai, damals einer wohlhabenden Seehandelsstadt, nieder, wo er durch den Handel mit ledernem Rüstzeug wohlhabend wurde. Jōō Geburtsname war Shingorō (新五郎).Auf den testamentarischen Wunsch seiner Mutter hin trat er, unter Namesnwechsel, 1532 in den Hongan-ji der amidistischen Jōdō-Sekte ein. Bis zu seinem 30. Lebensjahr lernte er von Sanjōnishi Sanetaka die Kunst der Renga-Kettendichtung. Sein Vermögen erlaubte den Ankauf einer entsprechenden Büchersammlung. Später wechselte er in den Zen-Tempel Daitoku-ji, wo er in dem damals noch nicht voll ausgeformten Teeweg unterwiesen wurde. Hierfür erwarb er zahlreiche erlesene meibutsu-Utensilien, jedoch lehnte er karamono ab.

Jōō, vom 90. Abt des Daitoku-ji gefördert, übernahm die Leitung des Nanshū-ji in Sakai. Zu den Anhängern und Teeschülern dort gehörten Sen Rikyū sowie Imai Sōkyū. (今井宗久, 1520-1593. Letzterer heiratete Jōō’s Tochter und war Vormund für Jōō’s Sohn Takeno Sōga (武野宗瓦, 1550-1614) Imai wurde später Teelehrer für Oda Nobunaga und war einer drei Hauptzelebranten beim großen Kitano Teefest (北野大茶湯. Abgehalten im kyotoer Schrein Kitano Tenmangū. Man kann die vom Toyotomi Hideyoshi geponsorte Veranstaltung als einen Versuch seinerseits sehen Akzeptanz für sich, den ungebildeten Bauernburschen mit dem Affengesicht, in kultivierten Kreisen zu erreichen. Der Text der Einladung ist im Matsuya Kaiki (松屋会記) überkommen. Das Kanemi Kyōki (兼見卿記), das Tagebuch des adligen Yoshida Kanemi beschreibt das Ereignis und dessen Vorfeld. Statt der geplanten zehn Tage, während derer Hideyoshi von jedem Meister ein Schälchen trinken wollte, wurde die Veranstaltung nach dem ersten Tag abgebrochen.) 1587.

Jōō’s Bedeutung für die Entwicklung des Teewegs (Vieles seiner „Lehre“ stützt sich auf das erst über hundert Jahre später geschickt redaktionell bearbeitete Buch Nampō-roku, hier ist eine gewisse hagiographische Zudichtung anzunehmen.) liegt in seiner neuartigen Definition des Wabi. Er sah die schon von Murata geforderte „verinnerlichte Dürftigkeit“ und materielle Entsagung, (無一物, mu-ichi-motsu) die Kern des Wabi-Tees ist, nur dann als möglich an, wenn man entsprechend wohlhabend war; für Unbegüterte (mono no naki hito) wäre Wabi kaum zu erlangen. Zu den Vereinfachungen bei der Ausschmückung gehörten für Jōō, die Abschaffung der Beklebung der Wände mit weißem Papier (torinoko shirobari), die Verwendung des Fukurodana anstelle des Daisu, sowie die Verwendung von Shoji ohne Holzfüllung und einer Tür aus Bambus statt Holz. Auch die Bildernische wurde auf 5 Fuß verkleinert (Go shaku doko).

Zur rechten Gesinnung beim Tee formulierte er zwölf Gebote. Hinsichlich der Tradierung glaubte er, daß für wahre Meisterschaft nur „Furyū monji, Kyōge betsuden“ (Kōan 9) möglich sei. Das Bewußtsein dieser Zen-Basis des Teewegs wurde für ihn zum tragenden Gerüst, auf dem dann Sen Rikyū die Wabi-Teetradition endgültig ausformte.
Jōōs Brief über Wabi (Gedruckt in Sōshitsu Sen (Hrsg.); Shinshū sadō zenshu, 8; Tokyo 1955-6) (Jōō wabi no fumi), der sich in der Sammlung Sekishū-ryū hiji gokajō findet, ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine spätere Fälschung. Die Verfasserschaft des heute Bunrui sōjin-boku Shinshōsai Shunkei zugeschrieben. (Bekannt ist diese Lehrschrift der Gerätekunde als bearbeitete Abschrift des Jahres 1564, erstellt vom Leibarzt des 13. Ashikaga-Shōguns Yoshiteru, Manase Dōsan (曲直瀬道三, 1507-94). Gedruckt ebenfalls in Shinshū sadō zenshu, 8.)

Zum 25. Todestag wurde zum Andenken des Meisters im Jōraku-ji (常楽寺) von Sakai eine fünfstöckige Pagode gestiftet.


Sen Rikyū (1521–91; 千利休)

(Gründervater der drei heute dominierenden senke-Schulen)

Traditionslinien

Neben der hier be­spro­che­nen Ura­sen­ke-Tra­di­tion, gibt es im mo­der­nen Ja­pan um die vierzig Tee­weg-Tra­di­tions­linien (Schul­sy­ste­me), meist mit einigen Zwei­gen. Der Grund für die Zer­split­te­rung liegt im Ie­mo­to-System, daß den je­wei­li­gen Pa­tri­ar­chen (Ie­mo­to) in fach­li­cher Hin­sicht un­fehl­ba­rer als den Papst macht. Hat ein Leh­rer ab­wei­chen­de An­si­ch­ten, so bleibt ihm die Wahl „für im­mer zu schwei­gen“ oder eine ei­g­ene Schu­le auf­zu­machen. Schu­len un­ter­schei­den sich von­ein­an­der durch ein­sei­ti­ges, klein­li­ches Fest­hal­ten an über­spitz­ten Be­son­der­hei­ten (Daß gewisse Spitzfindigkeiten beim „Publikum“ durchaus ankommen, zeigt eine Anekdote aus dem Erfahrungsbereich des Webseitengestalters: Eine sehr „verwestlichte“ Bekannte, damals etwa 30jährig, nahm 1992 an einer Teezeremonie teil. Um eine Schilderung gebeten, echauffierte sie sich hauptsächlich darüber, daß das verwendete Wassergefäß aus finnischem (!) Kieferholz gewesen sei und nicht japanisch, wodurch die gesamte Atmosphäre einer „echten“ Teezeremonie zerstört worden sei.).
Zu den bedeutenderen anderen Lehr­sy­stemen gehören die Omoto- (mit Zweig: Fu­haku-ryū), Ueda-, So­hen-, Enshū-, Seki­shu-, Fu­mai- und Ori­be-Schulen sowie das Dai-Nihon-Chado-Gakkai Ta­nak­a Sen­sho’s (gegr. 1898 im Kodai-ji von Kyoto, mit „westlichen“ Lehr­metho­den). Siehe hierzu die Übersicht heutiger Schul­sy­steme.

Rikyū, dessen ursprünglicher Name Yoshiro lautete, wurde in Sakai geboren. Bekannt ist er auch als Hō. Sein Vater war der Lagerhausbesitzer Tanaka Yohei. Rikyū gebrauchte jedoch den (koreanischen) Familiennamen Sen () nach seinem Großvater Sen’ami, einem koreanischen Einwanderer, der für Ashikaga Yoshimasa tätig gewesen war. Während seiner Jugend praktizierte er (Rinzai-)Zen im Nanju-ji in Sakai bei Dairin – dabei nahm er den Namen Hosensai Soeki an. In die Grundlagen des Tees wurde er von Jōō eingeführt. 1585 diente er als Chajin beim großen Kitano Teefest in der Hauptstadt, zu der alle Teemeister des Landes geladen waren, woraufhin ihm Toyotomi Hideyoshi per kaiserlichem Dekret den Titel Rikyū Koji verleihen ließ. In dessen Auftrag wurde – unter der Aufsicht Sen Rikyū’s – auch die bekannte Raku--Keramik, von zwei Brüdern, die koreanischem Migrationshintergrund hatten, mit entwickelt. In seinen Teeweg flossen Elemente der katholischen Messe mit ein.

Sen’s Aufstieg zum bedeutendsten Teemeister seiner Zeit ist eng mit dem poltischen Aufstiegs Hideyoshi’s verbunden. Ein Zeitgenosse Imai Sōkyū (今井宗久, 1520–93; reicher Kaufmann in Sakai) war der Schwiegersohn von Takeno Jōō. Er hat nach dem Tode seines Patrons Oda Nobunaga hat Einfluß verloren und ist heute weniger bekannt. Sōkyū war mit Rikyū und Tsuda Sōgyū (津田宗及, † 1591. Die Familiengeschichte der Teezeremonien über drei Generationen ist 天王寺屋会記 Tennōjiya kaiki) einer drei Teemeister Hideyoshi’s beim Kitano ōchanoyu 1587.

Sen, der sein ästhetisches Genie entwickelte, sammelte Spenden für den Bau des Sanmon-Tores des Daitoku-ji, weshalb er in diesem Tempel mit einer Statue geehrt wird. 1591 „durfte“ er als Folge der Daitokuji-Tor-Affäre seppuku begehen. Was der eigentliche Auslöser des Unmuts von Hideyoshi war ist ganz unterschiedlich tradiert: zum einen soll Rikyū sich unangemessen zu politischen Fragen geäußert haben, zum anderen wollte Hideyoshi eine verwitwete Tochter Rikyūs heiraten, diese war aber nicht interessiert und wurde hierin vom Vater unterstützt; drittens heißt es Hideyoshi wäre darüber erzürnt gewesen, daß er beim Betreten des Tempels unter den Füssen der Statue seines Teemeisters durchgehen mußte. Begraben wurde Sen mit dem postumen Namen Rikyū Sōeki Koji. Die Statue stellte man 1888 wieder an ihren Platz.

Lange schon hatte die Freundschaft zwischen Rikyū und dem Taikō Hideyoshi bestanden, und groß war die Achtung, die der Teemeister von dem großen Krieger erfuhr. Aber die Freundschaft eines Despoten ist immer eine gefährliche Ehre. Es war eine Zeit voller Verräterei, und die Menschen trauten nicht einmal ihren nächsten Angehörigen. Rikyū war kein kriegerischer Höfling und hatte es oft gewagt, anderer Meinung zu sein als sein grimmiger Gönner. Das gespannte Verhältnis, das eine Zeit lang zwischen dem Taikō und Rikyū bestand, benutzten die Feinde und beschuldigten Rikyū, an einer Verschwörung zur Vergiftung des Tyrannen beteiligt zu sein. Man flüsterte Hideyoshi ein, der tödliche Trank solle ihm in einer Tasse des grünen Getränks eingeflößt werden, das der Teemeister bereitet habe. Für Hideyoshi war der bloße Verdacht Grund genug zu sofortiger Hinrichtung, und der Wille des erzürnten Herrschers blieb jeder Fürsprache verschlossen. Eine einzige Gunst nur wurde dem Verurteilten gewährt – die Ehre, durch eigene Hand zu sterben.
An dem Tage, der für die Selbsthinrichtung bestimmt war, lud Rikyū seine Lieblingsschüler zu einer letzten Teezeremonie ein. Schmerzerfüllt trafen sich die Gäste zur festgesetzten Zeit am Wartehaus. Wie sie auf den Gartenpfad blicken, scheinen die Bäume zu erschauern, und im Rascheln ihrer Blätter hört man das Flüstern heimatloser Geister. Die grauen Steinlaternen stehen da wie ernste Wächter vor den Pforten des Hades. Ein Hauch seltenen Weihrauchs weht vom Teeraum herüber; es ist die Aufforderung an die Gäste, einzutreten. Einer nach dem anderen schreitet hin und nimmt seinen Platz ein. In der Tokonoma hängt ein Kakemono – eine wundervolle Handschrift eines alten Mönches, die von der Vergänglichkeit aller irdischen Dinge spricht. Der Kessel, der über dem Kohlenbecken siedet, zirpt wie eine Zikade, die ihr Leid dem scheidenden Sommer klagt. Bald betritt der Gastgeber den Raum. Jedem wird der Reihe nach der Tee gereicht, und jeder leert schweigend seine Schale, der Gastgeber zuletzt. Gemäß der hergebrachten Sitte bittet nun der Hauptgast um die Erlaubnis, das Teegerät zu besichtigen. Rikyū legt das Gerät vor sich hin und auch das Kakemo. Als alle seine Schönheit bewundert haben, schenkt Rikyū jedem der Gäste ein Stück zum Andenken. Allein die Schale hält er zurück. „Nie wieder soll diese Schale, von den Lippen des Unglücks entweiht, von Menschen gebraucht werden.“ So spricht er und bricht die Schale in Stücke. Die Zeremonie ist vorüber; mit Mühe nur halten die Gäste ihre Tränen zurück, nehmen einen letzten Abschied und verlassen den Raum. Einer nur, dem Meister der nächste und liebste, wird zum Bleiben aufgefordert, um Zeuge vom Ende zu sein. Rikyū legt nun sein Teegewand ab und faltet es sorgsam auf der Matte; das makellos weiße Totenkleid wird sichtbar, das bisher verborgen war. Zärtlich blickt er auf die blinkende Klinge des todbringenden Dolches und spricht zu ihm in erlesenen Worten:
咄々々力囗希
Totsu totsu totsu riki i ki

Willkommen Dir,
O Schwert der Ewigkeit!

Durch Buddha
Und durch Dharma gleichermaßen
Hast du dir deinen Weg gebahnt.
Mit einem Lächeln im Antlitz ging Rikyū hinüber ins Unbekannte.

„Rikyū hat die Tee-Formen mit dem Werke Hyaku-jō-seiki (百丈清槻) geschaffen und für immer bestimmt.“ Er ist der Begründer der Urasenke-Traditionslinie des Cha-dō, die heute in der 16. Generation besteht. Die Familie diente während der Tokugawa-Ära über Generationen hinweg den fürstlichen Familien Maeda und Hisamatsu.

Rikyū’s ältester Sohn war lahm, er schied als Erbe aus. Adoptiv-Sohn Shoan (1546-1614, 少庵宗淳) gefolgt von Sotan, (1578–1658) vollendeten die wabi-Teetradition, die auf der Theorie fußt, daß Tee und Zen eins seien (Cha Zen ichimi; Kōan 1). Letzterer verwendete auch die Namen Gempaku und Totsutotsusai. Insgesamt teilte sich die Familie in, von je einem seiner leiblichen Söhne gegründeten, drei „Stämme:“ Fushin’an, Konninchian, und Kankyuan (benannt nach dem jeweiligen Tee-Raume). Als grundlegend gilt die „zum 100. Todestag entdeckte“ Anleitung aus dem späten 16. Jahrhundert von Nambō Sōkei, Nambō-roku (= Nambō oder Nampō; Tee-Hausordnung). Er war stellvertrender Abt des Shuun-an in Sakai (= Nansō-ji) gewesen. Der Legende nach verschwand er am dritten Todestage Rikyū's, die sieben Manuskriptrollen der Geheimlehre mit sich nehmend. Zur Authentizität der „wieder gefundenen“ Werke führt Hennemann (1994, S. 3-4, 217) aus: Während Nagashima zwar das Nampō-roku und insbesondere die später von Jitsuzan beschafften Bände 6 „Sumibiki“ und 7 „Metsugo,“ was die ursprünglichen fünf Bände der Rikyū-Tradition erklärt, auch unter philologischem Gesichtspunkt für eine Kompilation der Gruppe um Tachibana Jitzusan hält, die in restaurativer Absicht durch ihren Versuch, hundert Jahre überbrücken zu wollen, damit eher zu Zweifel Anlaß gab, im Endergebnis mit ihrer Wiederherstellung des Rikyu-Tees aber Erfolg hatten, läßt Hisamatsu angesichts der Chanoyu-historischen Realität auch die Frage der Authentizität dahingestellt sein und betont: „Ich möchte hier feststellen, daß diese Schrift aufgrund der Tatsache, daß sie bisher immer für eine Teeschrift Rikyus gehalten wurde und dieser Schrift zuerkannter, nicht übersehbarer traditioneller Autorität und ihrer praktischen Wirkung sowie des klassischen Wertes ihres substantiell hervorragenden Inhalts, wie es um die Authentizität auch bestellt sein mag, ausreichend Grund besteht, sie als Klassiker des Sado zu akzeptieren.“ Von Tachibana, der seinen Teeweg Nambō-ryū nannte, gibt es noch Kochū rodan und Kiro bengi [beide in 南方續錄. Weiterführend: 山田哲也 ;『南方録』と青木凡鳥 ; 禅文化研究所紀要 通号 26 (2002-12-22), S. 549-60 ]).

Yugensai Ittō , (又玄斎 = Ittō Sōshitsu; 1719–1771) der Familienvorstand der 8. Generation verfaßte die Shichijishiki Cha-no-yu Übungsanweisungen (七事式), die von seinen Nachfolgern verschiedentlich überarbeitet herausgegeben worden sind. Die männliche Linie wäre mit der 10. Generation ausgestorben, besteht jedoch dank Adoption fort. Nachdem die Familie in der Meiji-Restoration ihre Pfründe verloren hatte, erbat der 11. Patriarch Gengensai (玄々斎; = Seichū Sōshitsu 精中宗室; 1801–1877) im Namen aller Teeschulen regierungsseitige Unterstützung. Allerdings gelang es erst Ennosai Tetchū (圓能斎 = Tetchū Sōshitsu 鉄中宗室; 1872–1924) den Cha-dō wieder zu stärken, u. a. durch Bücher und die Zeitschrift Konnichian Monthly News und die Aufnahme des Cha-dō in den Lehrplan an Berufsschulen für Mädchen. Iemoto Tantansai (1893–1964), der 14. Patriarch begann nach dem Krieg interessierte Besatzer zu unterrichten, sein Sohn Sen Soshitsu XV. (*1923; = Iemoto Ho'unsai, resp. Hounsai Genshitsu oder im Alter respektvoll Hounsai Daisōsho) leitete die überseeische Ausbreitung mit einer Amerikareise 1951 ein und zeichnete für die Initiative zur 1972 erfolgten Aufstellung des Teehauses im münchner Englischen Garten verantwortlich. Iemoto Sabosai (*1956) übernahm die Führung der Schule als 16. Sen Soshitsu, dessen Heirat mit einer Frau aus dem Kaiserhaus sicherlich ebensoviel zum Erfolg der Schule beiträgt, wie die Kontrolle der Herstellung und Vermarktung von Teegeräten in derer eigener Stilrichtung.
Heute besteht ein Verein mit Verlag namens Tankokai, der sich der Förderung des internationalen Cha-dō (2005 bestanden 22 Ableger in zwölf Ländern, dazu 74 Fördervereine in 34 Ländern. Weitere Einzelheiten in: The Urasenke Chado Tradition Catalogue, [?Kioto] 2003 (Urasenke Foundation). Die englischsprachige Zeitschrift Chanoyu Quarterly (ISSN 0009-1537) wurde mit Nr. 8, 1999 eingestellt.) verschrieben hat.

Sen war 1989 das Thema zweier Filme: 1) Rikyū von und mit Hisashi Igawa sowie 2) Sen no Rikyū: Honkakubō ibun (“Death of a Tea Master”) des Regisseurs Kei Kumai, der damit bei den Filmfestspielen in Venedig den silberen Löwen gewann.


Sōtei Akaji (赤路宗貞)

Der Verfasser des Werkes, dessen Übersetzung Bohner vorlegt, war offensichtlich ein Chajin in der Urasenke-Tradition, der in der ersten Hälfte des (christlichen) 20. Jahrhundert gelebt hat. Leider war es nicht möglich, über die Andeutungen Bohners in der Einleitung hinaus, biographische Informationen zu ermitteln. Sōtei Akaji dürfte jedoch, bedingt schon durch seine chajin-Eigenschaft, als in der Tradition des Daitokuji zu sehen sein. Mithin in der Tradition des Rinzai-Zen (s. o.) und des häufig zitierten Ikkyū. (Über die bereits exzellente Werke existieren.)


Nakahara Nantembō (中原南天棒; 1839-1925)

Nantembō bzw. Nantenbō oder Asana Tōjū [Tōshū] Zenchū bzw. Nantenbō Tōjū war ein zur Meijizeit bekannter „Reformer,“ der seine Religion nach den Verfolgungen in den frühen 1870ern dadurch wieder poularisierte, daß er nationalistischen Tendenzen folgte. In westlicher Literatur findet er, wenn überhaupt, vor allem wegen seiner Kunstwerke Erwähnung, die politische Komponente wird ausgeblendet. Seine Lehrveranstaltungen scheinen sich vor allem dadurch ausgezeichnet haben, daß er seinen aus einem 200 Jahre alten Ast eines „Himmelsbambus“ (Nandina domestica) geschnittenen Knüppel (eben 南天棒) ausgiebig, gerne und heftig auf die Schultern seiner Schüler niederprasseln ließ, etwas daß ihn von seinen Zeitgenossen, Pädagogen der wilhelminischen Ära, kaum unterschied.

In Karatsu (唐津市) geboren als Sohn eines niederrangigen Samurai, der im Denste des Daimyō von Ogasawara stand, wurde der Knabe, inzwischen Halbwaise, 11jährig in den örtlichen Yūkō-ji gegeben. Sein erster Ordensname war Zenchū. Als 18-Jähriger begab er sich zur Ausbildung in den Empuku-ji (円福寺) von Yawata, (八幡, heute südl. Kyoto) damals eine der drei wichtigen Rinzai-Ausbildungsstätten. Den Mu-Kōan „knackte“ er kurz vor dem Tode seines Lehrers Sekiō Somin († 1857). Nach weitern Kōanstudien begab sich Nantembō in den Eifuku-ji von Fukuoka. Hier prügelte schon der dafür berüchtigte Rannō Bunjō seine Schüler kräftig durch. Während der 500-Jahrfeier für den Myōshin-ji traf Nantembō Razan Gemma, den jugendlichen Abt des Bairin-ji in Kurume, bei dem er sechs Jahre blieb. Hier gehörte auch Flagellantismus zum Programm. Gerne meditierte man dort auf einem Brett über einem Brunnenschacht; ein eventuell einschlafender Mönch stürzte zu Tode (oder brach sich zumindest etliche Knochen). Als 26-Jähriger erzielte Nantembō dann seine Erleuchtung auf einer Wanderung im Bereich des Berges Aso. Razan erteilte ihm einige Monate später Inka.

Nantembō übernahm 1869 den Daijō-ji (Tokuyama-ken), sanierte diesen und bildete aus; zugleich verbesserte er seine rhetorischen Fähigkeiten in der Region des Yamaguchi-ken predigend. 1873, kurz nach dem Höhepunkt der Buddhistenverfolgung, begab er sich auf eine Rundwanderung durch Japan. In etlichen Tempeln forderte er Mönche zum Dharma-Duell. Wenn er glaubte diesen fehle das wahre Verständnis ging er mit seinem Knüppel auf seine Kontrahenten los (so die Lehre buddhistischen Mitgefühls darlegend 😈). Auch mit den Vorständen des Myōshin-ji legte er sich an. 1879 agitierte er gegen den Bau eines Studienzentrums, da, getreu Rinzai, nicht die Schrift, sondern die Praxis zur Erleuchtung führe. Später lehnte er die automatische Beförderung (Verleihung einer purpurnen Robe) von Äbten reicher Tempel ab und schlug 1893 vor, diejenigen Äbte auszuschließen, die nicht die richtige Lösung für einen Fragebogen von sechs Kōans „richtig“ beantworteten.

Ab 1885 stand Nantembō dem tokioter Sōkei-ji (宗慶寺. Durch amerikanische Brandbomben im Mai 1945 weitgehend zerstört) vor. Dort lernte er den berühmten Schwertkämpfer und Kalligraphen Yamaoka Tesshū (山岡鉄舟, 1836-1888) kennen. Jener unterwies ihn im Zeichnen und lud Nantembō ein einen von ihm gerade restaurierten Tempel in Utsunomiya zu leiten. Zu den Zen-Übenden dort gehörten die (späteren) Generäle Kodama Gentarō (damals Oberst 兒玉源太郎, 1852-1906) und Nogi Maresuke. (damals Generalmajor, vor seinem Studienaufenthalt in Deutschland; 乃木希典, 1849-1912) Deren militaristische Denkweise predigte Nantembō fürderhin ebenfalls.

Den prestigeträchtigen Zuigan-ji von Matsushima übernahm er 1891 als Abt. Während einer Abwesenheit einige Jahre später beschädigte ein junger Mönch die dortige antike Statue des Date Masamune (伊達政宗, 1567-1636) wofür man den Abt verantwortlich machte. Nantembō zog sich für zwei Jahre in den nahen, verfallenden Daibai-ji zurück. Die Periode der Besinnung führte dazu, daß er seinen Knüppel aufgab (dieser ging ins Schatzhaus des Empuku-ji). Die Leiter des Myōshin-ji trugen 1902 dem 64-Jährigen die Leitung des mittelgroßen Kaisei-ji in Nishinomiya an. Dort verlebte er, predigend, mit großer Anhängerschaft, den Rest seiner Tage bis 1925, dabei die meisten seiner besten Kalligraphien schaffend. 1908 erhielt er den zeremoniellen Titel eines „Großmeisters des Myōshin-ji,“ er war der 586. in der Reihe.
Sein wohl bester Kalligraphieschüler (und auch Zenmeister) war Deiryū. (泥龍窟 = Kanshū Sōjun 寛州宗潤, 1895-1954) Als Künstler überflügelte er seinen Lehremeister, mit dem er eine lebenslange Vorliebe für Sake teilte. Später wurde er Lehrmeister und Abt des Empuku-ji, wo er auch das von ihm seit Kindesbeinen gepflegte Kendō nach Ende des Pazifikkrieges als „Mittel auf dem Zen-Weg“ förderte.

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